2005 bis 2011: Die Zeit der Damen und der Dramen

Knapp ein Jahrzehnt nach der Gründung ist der EBC Rostock e.V. in ruhigem Fahrwasser. Die Jugendteams behaupten die Vormachtstellung in Mecklenburg-Vorpommern. 

Siege mit 50 oder 100 Punkten Vorsprung sind keine Seltenheit. Bei den Recherchen überrascht sogar ein Rekordergebnis von 256:32 der A-Jugend des EBC gegen den ESV Lok Stralsund. Der Vereinsrekord von 304 erzielten Punkten in einer Partie hat bis heute Bestand. Überregional mischen die 1. Herren in der 2. Regionalliga Nord mit und sind seit 2002/2003 durchgehend dort vertreten. Die Abwanderungen zum PSV Rostock zum Ende der 1990er Jahre sind Geschichte, die EBC-Mitgliederzahlen wachsen und sind so hoch wie seit 1997 nicht mehr. Das Ziel für die 1. Herren bleibt der Aufstieg in die 1. Regionalliga. 

Die beste Platzierung im männlichen Bereich gelingt unter der Leitung von Sebastian Wild in der Saison 2003/2004, als am Ende die Vizemeisterschaft in der 2. Regionalliga Nord zu Buche steht. Zu Beginn der Saison 2005/2006 kommt mit Stefan Richter ein neuer Trainer nach Rostock, der die Aufstiegsambitionen bekräftigt: „Perspektivisch geht’s in Richtung 1. Regionalliga.“ 

Während der männliche Bereich in dieser Zeit auf konstantem Niveau spielt und höhere Ziele anstrebt, schicken sich die Damen des EBC Rostock an, ihre eigene Erfolgsgeschichte zu schreiben. Dieses Kapitel ist zunächst mit dem Namen Tom Klee, später dann mit André Jürgens verbunden.

Klee ist Mitte der 1990er Jahre treibende Kraft beim EBC, unter seiner Führung entwickelt der Club talentierte Jugendspieler und feiert mehrere Meisterschaften. Nach einem Wechsel zum PSV betreut er dort u.a. auch die weibliche Jugend, die Gründungsmitglied Jörg Hildebrandt als „Ausnahmegeneration“ bezeichnet und die Jürgens später als Coach übernimmt.

Jürgens, gelernter Fitnessfachwirt und Basketballenthusiast, hat die Entwicklung des EBC Rostock von Beginn an mitgemacht: Als 16-Jähriger kommt er zum EBC, durchläuft die A-Jugend, spielt im Pokal gegen Bonn und erlebt 1997 den 1. Aufstieg des Vereins in die 2. Regionalliga hautnah in Bargteheide mit. Nach einem Abstecher zum PSV Rostock als Spieler und Coach der dort ansässigen Damenmannschaft wechselt das Team samt Jürgens zur Saison 2005/2006 geschlossen zum EBC. „Grund ist die fehlende sportliche sowie finanzielle Perspektive, die nach der allgemeinen Umstrukturierung innerhalb des PSV zu vielen Veränderungen geführt hat“, heißt es am 21. Juni 2005 in einer Zeitungsmeldung. „Für einige Mitglieder ist es eine Rückkehr, hatten sie doch vor zwei Jahren den Verein aus sportlichen Gründen verlassen.“ Der EBC Rostock freut sich darüber, „wieder ein Damenteam in der Regionalliga präsentieren zu können und hofft auf einen positiven Effekt auf die Jugendarbeit im weiblichen Bereich.“

Mit dem Wechsel vom PSV zum EBC beginnt das Märchen der Mädels. Als Zweiter der 2. Regionalliga Nord schaffen die Damen in der Saison 2005/2006 den Sprung in die Qualifikationsrunde um den Aufstieg und meistern diese Hürde mit Bravour. „Die Mädels haben Unglaubliches geleistet“, wird Coach Jürgens anschließend in der Ostsee-Zeitung zitiert.

Topscorerin Andrea Laudahn meint: „Nach dem Aufstieg hätte wohl niemand an einen solchen Durchmarsch gedacht“, während ihre Teamkameradin Anne Panther, die sich nach ihrer Spielerkarriere in den letzten Jahren als Schiedsrichterin auf höchstem Niveau (u.a. Olympia 2016, Euroleague und 1. Bundesliga) einen Namen gemacht hat, jubelt: „Der Vizetitel ist der Hammer!“

Ein Jahr später stehen längere Reisen in der 1. Regionalliga Nord auf dem Programm. Dieses Level stellt für die Damen auch kein Problem dar. Am Ende der Saison 2006/2007 feiern sie als Vizemeister den nächsten Aufstieg, diesmal in die 2. Damen Basketball Bundesliga (DBBL) Nord. Doch der Durchmarsch von der vierten in die zweite Liga erweist sich als eine Nummer zu groß. Gerade einmal drei Siege stehen nach der Spielzeit auf der Habenseite. Folglich steigen die Damen wieder in die 1. Regionalliga ab. Die Gegnerinnen in der zweithöchsten deutschen Spielklasse sind zu stark und körperlich überlegen, als dass die Rostockerinnen mit ihrem schnellen Spiel dagegenhalten können. Sechs Damen aus dem Rostocker Bundesliga-Team hatten bereits in der 2. Regionalliga mitgemischt. Zur Saison 2006/2007 kommt die französische Center-Spielerin Marie-Denise Chaigneau als erste Importspielerin in der EBC-Geschichte hinzu. In der 2. DBBL sichern sich die EBC Ladies, wie sie damals heißen, die Dienste der US-Amerikanerin Dianca Latrese Jones dank der guten Kontakte von Sebastian Wild, der mittlerweile in den USA als Coach an einem College in North Carolina arbeitet. 

Sportlich gelingt den Damen, die in der Bundesliga vom Schweriner Dirk Stenke gecoacht werden, nicht viel – auch wirtschaftlich weht plötzlich ein rauer Wind beim EBC. Im Rostocker Stadtmagazin Piste ist vor der Saison 2007/2008 zu lesen: „Nachdem die Damen mit einem Durchmarsch aus der Regionalliga in die 2. Bundesliga für einiges an Aufsehen gesorgt haben, möchten auch die Herren, derzeit in der 1. Regionalliga, so schnell wie möglich in die 2. Bundesliga aufsteigen.“

Die erste Hürde können die EBC Gents (so der damalige Name der 1. Herren) in der Saison 2006/2007 nehmen – nach fünf Jahren in der 2. Regionalliga Nord und vier Trainern. Als Sebastian Wild im Oktober 2004 in die Staaten geht, ersetzt ihn der Rostocker Christian Range bis Saisonende. „Bei den Herren war ich eher so ein Lückenfüller und bin eingesprungen, als es irgendwie nicht mehr ging“, berichtet Range, der als Jugendlicher von 1994 bis 1998 für den EBC gespielt hat, danach als Damentrainer und Schiedsrichter tätig ist und sich von 2003 bis 2006 als 2. Vorsitzender im Verein engagiert.

Zur Saison 2005/2006 übernimmt mit Stefan Richter ein Mann aus Magdeburg das Zepter an der Seitenlinie. Er bleibt jedoch nur bis Januar im Amt. Spieler Thomas Klugmann und Range übernehmen daraufhin wieder das Team. 2006/2007 meistert Coach Range mit der Truppe dann erstmals den Aufstieg in die 1. Regionalliga. Spannender hätte dieser Erfolg nicht sein können. Am letzten Spieltag gelingt den Hansestädtern ein 92:71-Auswärtssieg beim Halstenbeker TS. In der Kabine und auf der Rückfahrt wird ausgiebig gefeiert. „Nach den Vereins-Ladies im Jahr 2006 schafften nun auch die männlichen Korbjäger des EBC Rostock als zweites Team in Mecklenburg-Vorpommern den Sprung in die dritthöchste deutsche Basketball-Spielklasse“, schreibt die Ostsee-Zeitung am 19. März 2007.

So kommt es, dass der EBC in der Saison 2007/2008 erstmals mit zwei Teams überregional an den Start geht, jedoch wirtschaftlich nicht lange mithalten kann, um die sportlichen Herausforderungen zu erfüllen.

Die Damen sammeln bei ihren Auftritten in der 2. DBBL viele Erfahrungen und müssen dies aber mit Unmengen an Lehrgeld aufwiegen. Auch die Herren stehen sportlich vor einer schier unüberwindbaren Hürde trotz vier Neuzugängen: Mit Björn Barchmann verpflichten die Verantwortlichen einen neuen Cheftrainer, weil Aufstiegstrainer Christian Range Beruf und 1. Regionalliga nicht wahrnehmen kann; College-Center Kevin Field wird der erste US-Amerikaner der EBC-Geschichte, Jonathan Kaiser kommt aus Bremen. Sie sollen zusammen mit dem Rostocker Steffen Stöhr die eingeschworene Truppe um Sven Hellmann, Robert Schmidt, Jörn Boghöfer und Co. verstärken. 

Barchmann zieht für ein Studium nach Rostock und kann beim EBC seiner Leidenschaft als Trainer nachgehen. Im Juli 2007 sagt er in einem Interview: „Hier bewegt sich etwas. Rostock ist ohne große Tradition, immer noch ein Basketball-Neuling in Deutschland und weitestgehend unbekannt. Das kann sich jetzt mittelfristig ändern, denn in der kommenden Saison punkten die EBC Ladies in der 2. Bundesliga und die Gents in Liga 3.“ 

Die Saison beginnt verheißungsvoll mit Siegen gegen Weißenfels und Aschersleben. Ab November ist die Talfahrt jedoch nicht mehr aufzuhalten. Nach einer Niederlagenserie bis ins neue Jahr rutschen die Rostocker vom oberen an das untere Ende der Tabelle.

Abseits des Spielfelds kommen Gerüchte auf, dass amadi, die Vermarktungsagentur des EBC, zahlungsunfähig sei. Seit 2003 kümmert sich das Unternehmen um die Sponsorensuche und -pflege. Zudem sprechen sich die Spieler gegen Coach Barchmann aus. „Es gab Unstimmigkeiten zwischen uns und dem Trainer“, sagt Kapitän Norman Holl gegenüber der Ostsee-Zeitung. „Wir hatten unterschiedliche Vorstellungen von Training und Spiel.“

Das Ende vom Lied? Am 9. Februar 2008 wird Barchmann entlassen, André Jürgens übernimmt als Interimstrainer. Kevin Field wird in die Slowakei geschickt. Ende des Monats verlässt auch Marie-Denise Chaigneau das Team Richtung Heimat. Ebenfalls in dieser unruhigen Zeit erreicht den Verein die Nachricht, dass amadi insolvent ist. 

„Dem Verein entsteht ein Defizit von rund 10.000 Euro, die Saison ist aber dennoch nicht in Gefahr“, schreibt die Ostsee-Zeitung am 19. Februar 2008. Die Auswärtsfahrten sowie die Honorierung der Trainer und der fünf Vertragsspieler Chaigneau, Jones, Field, Stöhr und Kaiser sichert der Verein ab. Jürgens, der damals als Teammanager und nach der Entlassung Barchmanns auch als Trainer die Geschicke lenkt, meint: „Wir setzen alles daran, um die Misswirtschaft durch die Agentur zu bereinigen“.

Es dauert nicht lange, bis Jürgens sich selbst um die wirtschaftlichen Strukturen des Vereins kümmert. Dabei erfährt er Unterstützung von Anne Panther, die bis 2010 dem Basketball in Rostock verbunden bleibt, ehe es sie aus beruflichen Gründen nach Heidelberg verschlägt und sie sich auf ihre Schiedsrichterkarriere konzentriert.

Unabhängig von der wirtschaftlichen Krise, die den Verein erschüttert, erweist sich das Abenteuer 1. Regionalliga für die 1. Herren letztlich als Himmelfahrtskommando. Am Ende stehen sechs Siegen 16 Niederlagen gegenüber. Sowohl die Damen als auch die Herren steigen nach der Saison 2007/2008 aus ihren Ligen ab. Der Hoffnungsschimmer, dass Basketball in Rostock langfristig auf erfolgreiche Beine gestellt wird, verschwindet fast genauso schnell aus der öffentlichen Wahrnehmung, wie er aufgeblitzt ist. 

Bis 2012 pendeln die EBC-Herren zwischen den Attributen „unschlagbar“ und „Kanonenfutter“. Es ist die Zeit, in denen das Team im Fahrstuhl der 2. und 1. Regionalliga feststeckt. Nach dem Abstieg aus der 1. Regionalliga 2007/2008 schaffen sie ein Jahr später ungeschlagen den direkten Wiederaufstieg, nur um 2009/2010 knapp den Klassenerhalt zu verpassen. Im Spieljahr darauf muss die 1. Herrenmannschaft erneut in der 2. Regionalliga an den Start gehen, um am Ende der Saison mit nur einer Niederlage den dritten Aufstieg in nur fünf Jahren zu begießen.

Die Damen hingegen haben ihr Abenteuer in der 2. DBBL Nord aus den Köpfen verdrängt, Basketball weiter überaus erfolgreich gespielt und von 2010 bis 2013 vier Meisterschaften in Folge in der 2. Regionalliga gefeiert, jedoch ohne vom Aufstiegsrecht Gebrauch zu machen.

Parallel zu den Ereignissen und Ergebnissen der 1. Auswahlmannschaften des EBC Rostock arbeiten die Verantwortlichen des Vereins an einem Konzept für die Basis. „2007 war der Start der ersten Schul-AGs. Damals kam die Idee auf, an die Kids heranzutreten. Wenn man die Kinder für den Sport begeistert, dann kommen sie zu den Heimspielen mit ihren Eltern und Freunden“, beschreibt Christian Range einen bedeutsamen und zukunftsweisenden Schritt für den Verein, der auch Jahre später noch seine Kraft entfaltet. „Das Projekt ist einmalig in Deutschland und hat Zukunft“, ahnt Björn Barchmann bereits im Spätsommer 2007. Durch die Einführung der Schul-AGs wachsen die Mitgliederzahlen im ersten Jahr um knapp 50 Prozent. 

Spätestens als Grundschulmannschaften zur Saison 2010/2011 in Form einer Stadtliga antreten, geht der Plan vollends auf. Nach und nach entwickeln sich die Turniere zu bunten Klassentreffen mit Lehrern und Eltern, Spieler der Leistungsteams sind als Coaches oder Motivatoren dabei – und treiben die Kids zu Höchstleistungen an.

Ähnlich wie in den Anfangsjahren des Vereins gelingt es, Kinder und Jugendliche für Basketball zu begeistern. Doch um nachhaltig erfolgreich zu sein und den Basketball in Rostock zu etablieren, fehlen noch einige Schritte, die langsam in Gang gebracht und in den nächsten Jahren verwirklicht werden sollen.