Dirk Bauermann zieht Bilanz

Nach acht Wochen im Amt als Head Coach der ROSTOCK SEAWOLVES zieht Dirk Bauermann eine erste Bilanz. Im Interview spricht er u.a. über die Psyche seiner Mannschaft, Neuzugang Zach Lofton, den Test in Itzehoe und wie realistisch ein Erreichen der Playoffs ist.

Seit Ihrer Ankunft Anfang Januar gab es vier Siege aus acht Spielen, alle davon zuhause. Wie ist die Bilanz aus Ihrer Sicht einzuordnen?

Dirk Bauermann: Gut. Ich glaube, dass wir mit den vier Heimsiegen sichergestellt haben, dass wir die Liga halten. Es war zunächst wichtig, diesen Pflock zu schlagen.

Sicherlich hätten wir gern auswärts das ein oder andere Spiel gewonnen. Aber man darf nicht vergessen, dass wir ausschließlich gegen Playoff-Mannschaften gespielt haben. Drei Partien waren gegen die Top3 der Liga. Trotzdem hätte ich erwartet und mir gewünscht, dass die Mannschaft in diesen Auswärtsspielen ein anderes Gesicht zeigt; dass sie kompakter auftritt, mehr Widerstand leistet. Das sind Dinge, über die wir reden, die wir ständig thematisieren.

Letztlich ist es auch eine mentale Schwäche dieser Mannschaft, stabil zu sein, egal wie der Spielverlauf und der Punktestand ist. Es geht um die Fähigkeit, Verteidigung von Angriff zu lösen, defensiv zumindest immer auf höchstem Niveau zu spielen, um dann in Schwächephasen zumindest im Spiel zu bleiben. All diese Dinge haben uns in solchen Situationen auswärts gefehlt. Wir arbeiten daran, soweit man es kann. Es wird wichtig sein, dass wir diese Qualität in den letzten vier Auswärtsspielen der regulären Saison zeigen. Zu glauben, dass es ein Selbstläufer wird, weil es gegen drei der vier vermeintlich schwächsten Mannschaften in der Liga geht, wäre naiv. All diese Clubs kämpfen um die bloße Existenz. Auch das werden schwere Spiele.

Gerade das Auftreten zuhause gegen vier gute Mannschaften war erfreulich. Es ist auch erfreulich, dass wir seit meiner Ankunft – nehmen wir einmal das Spiel gegen Chemnitz raus – mit 74 abgegebenen Punkten im Schnitt die beste Verteidigung der Liga hatten. Es zeigt, dass die Mannschaft will und dass sie versucht, in der Kürze der Zeit die Dinge, die wir mit ihr erarbeiten, auch umzusetzen.

Sie sind seit fast acht Wochen in Rostock. Wie beurteilen Sie selbst Ihre Arbeit? Sind Sie zufrieden?

Dirk Bauermann: Für einen Trainer ist es nie leicht, eine Mannschaft zu übernehmen, die er nicht selbst zusammengestellt hat. Das ist im Basketball nochmal anders als im Fußball oder in anderen Sportarten. Aber es sind tolle Jungs; es macht Spaß, mit ihnen zu arbeiten.

Die Fans in Rostock sind großartig. Es macht großen Spaß, in der StadtHalle zu spielen. Da kommt man sich nicht vor wie in der ProA, sondern wie in einer höheren Liga. Das hilft mir sehr. Die Atmosphäre in der Halle und die Unterstützung der Fans helfen mir, mich wohlzufühlen und zu glauben, dass es auch für mich der richtige Standort ist.

Trotz des rauen Klimas?

Dirk Bauermann: Der Wind tut gut. Ich habe mich in Rostock vom ersten Tag an sehr wohl gefühlt. Man sagt ja den Norddeutschen nach, dass sie eher verschlossen seien, aber ich habe bisher die Menschen und Fans hier im Verein und im Umfeld als unglaublich freundlich wahrgenommen. Es ist eine sehr positive Willkommenskultur.

Ich finde, dass Rostock eine tolle und moderne Stadt ist mit ganz viel Charme, aber eben auch großem Potenzial.

Ich bin hierhergekommen, um zu sehen, ob ich hierhin passe; ob ich mir vorstellen kann, das längerfristig hier zu machen – das gleiche gilt für den Verein. Das bedeutet ja aller Wahrscheinlichkeit nach noch mindestens ein Jahr ProA. Bisher sind die Eindrücke wirklich positiv. Es macht großen Spaß.

Das Spiel gegen den Tabellenführer Chemnitz liegt zwei Wochen zurück. Es waren 14 Tage ohne Pflichtspiel. Ist solch eine lange Pause gut oder schlecht für eine Mannschaft?

Dirk Bauermann: Ich glaube, es war gut für uns, weil wir uns einfach neu sammeln und weiter an den Dingen arbeiten konnten. Man darf nicht vergessen, dass es auch für die Spieler bisher keine leichte Saison war. Es gab hohe Erwartungen, denen man nicht gerecht werden konnte. Dann ein Trainerwechsel. All das belastet auch die Psyche einer Mannschaft. Das merkt man ihnen auch an. Deshalb war es sehr hilfreich, dass sie mal durchschnaufen konnten.

Wir haben dem Team nach dem Spiel in Chemnitz drei Tage freigegeben. Einfach um auch mal den Kopf freizukriegen. Das ist wichtig. Und es war sicher auch gut für uns, weil wir Zach (Lofton) weiter integrieren konnten. Er ist zum Ende der Wechselfrist zu uns gekommen. Durch zwei Spieltage am Mittwoch hatten wir sehr wenige Trainingseinheiten mit ihm. Jetzt konnten wir mit ihm einige Trainingseinheiten absolvieren, und ein Freundschaftsspiel (gegen Itzehoe) mit ihm bestreiten. Insofern ist er aus meiner Sicht auch besser integriert. Die Mannschaft hat gelernt, besser mit ihm zu spielen.

Wenn man zum Beispiel einen Backup-Center verpflichtet, ist es ein viel kleineres Problem, als wenn man einen balldominanten Spieler wie ihn verpflichtet, der anderen viele Minuten wegnimmt; der immer um die 15 Würfe pro Spiel nimmt – wenn nicht mehr. Daran müssen sich seine Mitspieler gewöhnen.

Insofern ist es ein von zwei Seiten her schwieriger Prozess. Zach hat noch nie in Europa gespielt, muss sich um- und eingewöhnen an eine neue Mannschaft, an bestimmte Erwartungen an ihn, an eine bestimmte Art zu spielen. Das häufig größere Problem ist, dass sich die Mannschaft an ihn gewöhnen muss; sie muss ihn integrieren und verstehen, wie er spielt; sie darf es nicht verstehen als etwas, das ihnen etwas wegnimmt, sondern als etwas, das ihnen die Möglichkeit gibt, das schwer zu erreichende Ziel Playoffs noch zu erfüllen. Insofern ist Zeit immer ein wichtiger Faktor, aber eben auch gemeinsames Training und ein gemeinsames Freundschaftsspiel. Das erleichtert oder beschleunigt dann diesen Prozess.

Wie wichtig war die Verpflichtung von Zach Lofton für die ROSTOCK SEAWOLVES?

Dirk Bauermann: Es ist ein Glücksfall für uns, dass wir einen Spieler mit solchen Qualitäten verpflichten konnten. Aber es muss auch gelingen, ihn in das Gebilde Mannschaft zu integrieren. Das ist meine Aufgabe, aber es ist auch seine Verantwortung und auch die der Mannschaft. Alle drei müssen da zusammenspielen, damit es so funktioniert, wie wir es uns vorstellen.

Wer weiß, ob wir ohne Zach gegen Leverkusen oder Tübingen gewonnen hätten. Er hat es bisher schon sehr gut gemacht. Wir sollten froh sein, dass wir ihn haben.

Ich glaube, dass mit ihm die Chancen gestiegen sind, möglichst viele der verbleibenden Spiele zu gewinnen.

Am vergangenen Dienstag gab es gegen die Itzehoe Eagles aus der ProB ein Testspiel, das mit 92:62 gewonnen wurde. Welche Eindrücke haben Sie aus dieser Partie gewonnen?

Dirk Bauermann: Insgesamt war es positiv. Es war gut, dass wir dieses Spiel gespielt haben. Itzehoe hat eine physische Mannschaft, die von der Körperlichkeit hinter keiner ProA-Mannschaft zurückstehen muss.

Ich denke, wir haben es gut gemacht. Ich habe gute offensive Inhalte und Ballbewegungen gesehen. Das war zum Teil sehr gut, dass wir nicht nur miteinander, sondern auch füreinander spielen – so lautet hier das Stichwort. Das war sichtbar und ordentlich. Da hat man auch gesehen, dass Zach besser integriert ist.

Defensiv war es nach einem dünnen ersten Viertel besser. Auch das ist etwas, woran man diese Mannschaft ständig erinnern muss und es ständig einfordern muss. Solche Dinge passieren eben, wenn man relativ spät in der Saison eine Mannschaft übernimmt, in der die Schwerpunkte zuvor andere waren.

Was für ein Auftritt der ROSTOCK SEAWOLVES ist gegen die Uni Baskets Paderborn zu erwarten?

Dirk Bauermann: Gegen Paderborn müssen wir wie in den letzten Heimspielen verteidigen, denn wir treffen auf eine sehr spiel- und offensivstarke Mannschaft.

Mit Kendale Mc Cullum haben sie einen sehr spielstarken Aufbauspieler, der nicht nur scoren und Dreier mit über 40 Prozent werfen kann, sondern auch den Ball gut verteilt. Er ist ein Spieler, auf den man besonders achten muss. Insgesamt hat diese Mannschaft viele gute Dreierwerfer. Das wird sicher ein Hauptaugenmerk sein: Wir müssen sicherstellen, dass sie keinen Sahnetag von jenseits der Dreipunktelinie haben.

Wenn man sie lässt, können sie auch mal locker über 90 Punkte erzielen. Das ist in jedem Fall zu verhindern. Wenn wir defensiv gutstehen und die Stärken der Paderborner weitgehend wegnehmen, dann macht unsere Mannschaft immer genügend Punkte, um Spiele zu gewinnen, gerade zuhause. Aber defensiv müssen wir stehen wie eine Eins.

In den nächsten Wochen stehen zuhause wichtige Spiele gegen Playoff-Kandidaten an, auswärts geht es gegen drei Teams aus der unteren Tabellenregion. Wie realistisch sind momentan die Playoffs für die ROSTOCK SEAWOLVES?

Dirk Bauermann: Ich weiß es nicht. Um ehrlich zu sein, verliere ich mich zurzeit auch nicht so sehr in diesen Gedanken. Die Playoffs sind als Ziel klar formuliert, und es steckt auch in allen Köpfen. Aber jetzt ständig darüber zu reden und nach jedem Spiel neu zu rechnen und zu spekulieren, wie die wahrscheinlich es ist, macht wenig Sinn.

Ich glaube, wir müssen uns auf die nächste Aufgabe konzentrieren mit allem, was wir haben. Wenn wir am Sonntag nicht gewinnen sollten: Was soll man weiterreden?

Es ist ganz klar: Wir müssen am Sonntag gewinnen. Das ist die Aufgabe. Darauf muss der Fokus liegen.

Der Druck, mit dem Gedanken an die Playoffs zusätzlich zu erhöhen, führt eher zu Verkrampfung als zu allem anderen. Wir müssen uns auf die Aufgabe konzentrieren und die Dinge, die zu tun sind, um diese wirklich starke Paderborner Mannschaft zu schlagen. Dann müssen wir weiter von Spiel zu Spiel denken und arbeiten. Am Ende werden wir dann schauen, was in den letzten beiden Auswärtsspielen im Artland und in Hagen ist. Das letzte Spiel in Hagen kann entscheidend sein. Was ist dann noch möglich?

Jetzt aber liegt die volle Konzentration auf der nächsten Aufgabe.

Das Interview führte Thomas Käckenmeister.