Der Rostock Seawolves e.V. feiert im Jahr 2024 sein 30-jähriges Bestehen. Bis Ende des Jahres erscheinen Beiträge aus der Vereinsgeschichte, angefangen mit Basketball in der DDR und in Rostock, den Anfangsjahren des Vereins bis hin zum rasanten Aufstieg von der 5. bis in die 1. Liga innerhalb von nur zwölf Jahren.
Weitere Beiträge über die Basketballgeschichte in Rostock und den Rostock Seawolves e.V. gibt es auf 30jahre.seawolves.de
Elf Jahre hat es gedauert, bis die ROSTOCK SEAWOLVES von der 1. Regionalliga bis in die 1. Liga aufgestiegen sind. Von märchenhaften, unvergesslichen und sensationellen Aufstiegen zeugen die Bücher der Rostocker Sportgeschichte. 2014 wird das Wunder von Itzehoe Wirklichkeit, der den Weg in die 2. Basketball Bundesliga ProB ebnet. 2018 feiern die besten Korbjäger Mecklenburg-Vorpommerns nach einer Overtime-Schlacht in Iserlohn den Aufstieg in die 2. Liga ProA. 2022 erblassen die Regisseure aller Filmstudios bei dem Drehbuch, das in Jena abgespult wird: Tyler Nelson trifft den “Wurf für die Ewigkeit” und katapultiert die Rostocker mit einem Dreier 0,2 Sekunden vor Schluss ins gelobte Land, sprich: in die höchste deutsche Spielklasse.
Als die SEAWOLVES knapp vier Jahre zuvor, im April 2018, unter Trainer Ralf Rehberger den Run durch die Playoffs bis zum Aufstieg in die ProA antreten, ahnt niemand, wohin die Reise geht. Das Ziel “1. Liga”, das 2013 ausgerufen und anfangs belächelt wurde, ist zwar noch nicht zum Greifen nah, aber nimmt leichte Konturen an.
Nur zwei Tage nach dem Saisonende 2017/2018 und der Silbermedaille gegen die Scanplus Baskets wird die Rostocker Basketballwelt jedoch in seinen Grundfesten erschüttert. Ralf Rehberger, der Aufstiegstrainer, erhält keinen Vertrag für die ProA und kann damit nicht die Früchte kosten, die er in anderthalb Jahren in Rostock gesät und gepflegt hat. “Diese Entscheidung ist uns menschlich außerordentlich schwer gefallen”, erklärt Sportchef Jens Hakanowitz diesen Schritt. Es hagelt Kritik von den Fans ob dieses unpopulären Beschlusses. Es ist die Art von Schachzug, den nur das knallharte Gesicht des Profisports zutage fördert. Nur zwei Tage später stellen die SEAWOLVES den Serben Milan Škobalj vor. Er soll das Team für die ProA zusammenstellen und in neue Reviere vorstoßen.
Unter der Leitung des neuen Head Coaches, für den Sportvorstand Jens Hakanowitz in seiner aktiven Zeit im dänischen Hørsholm selbst gespielt hatte, schrauben die SEAWOLVES am Kader für ihre erste Saison in der 2. Liga. Fans dürfen sich auf ein Wiedersehen mit einigen ihrer Aufstiegshelden freuen: Chris Frazier, Darian Cardenas, Jordan Talbert und Dennis Teucher wie auch die Nachwuchskräfte Theo Brackmann und Nicolas Buchholz stehen weiterhin im Kader. Doch um konkurrenzfähig zu sein, verstärken die Wölfe ihr Rudel mit namhaften Neuzugängen wie Terrell Harris, Tony Hicks oder dem früheren Publikumsliebling Yannick Anzuluni. Auch auf den deutschen Positionen legen die Rostocker nach und sichern sich die Dienste von Tom Alte, Michael Jost, Oliver Clay und Martin Bogdanov. Mit diesem Team, in dem auch der talentierte 16-jährige Trainersohn Filip Škobalj um einen Platz kämpft, scheinen die SEAWOLVES gewappnet für ihr erstes Jahr in der 2. Liga. Doch in der neuen Spielklasse weht ein kräftiger Wind, der vieles durcheinander wirbelt!
Nach einem Drittel der Saison sind die SEAWOLVES trotz der ausbleibenden Heimsiege gut im Rennen. Die Wölfe fangen und finden sich. Zuerst auswärts, ab Mitte Dezember auch im eigenen Revier. Als Aufsteiger ordnen sie sich früh ins obere Drittel der Tabelle ein, anders als die anderen beiden Neulinge Artland Dragons und der FC Schalke 04 Basketball. Die Konkurrenz aus ProB-Zeiten muss sich dem rauen Klima der höheren Spielklasse beugen und viele Niederlagen verschmerzen. Die Wölfe hingegen gewinnen lange Zeit die Hälfte ihrer Spiele, da zuhause die Erfolge ausbleiben, es aber auswärts läuft. Während die lokalen Zeitungen von einem „Heimfluch“ schreiben und händeringend nach Erklärungen für die Niederlagenserie in eigener Halle suchen, gleichen die Auswärtsfahrten der SEAWOLVES einem Segen.
Die ROSTOCK SEAWOLVES sind der Auswärtsschrecken der Liga, mit einer ausgeglichenen Truppe, die geschlossen verteidigt, den Ball gut bewegt und smart im Angriff agiert. Von den ersten zwölf Spielen in fremder Halle müssen die Rostocker nur einmal – in Hamburg – das Parkett als Verlierer verlassen. Spätestens das Weihnachtsspiel beim Tabellenführer in Chemnitz, das die SEAWOLVES vor 5.315 Zuschauern überlegen mit 20 Punkten für sich entscheiden, ist der Gradmesser für die Saison: Die SEAWOLVES sprechen in der Vergabe der acht Playoff-Tickets ein gehöriges Wörtchen mit!
Entscheidend für den Erfolg des Aufsteigers sind der erfahrene Kader und die Unberechenbarkeit der Leistungsträger. In 31 der 34 Ligaspiele in der Saison 2018/2019 punkten drei oder mehr SEAWOLVES-Profis zweistellig, in vier Partien können sogar fünf Wölfe mindestens zehn Zähler erzielen. Die Hauptlast fällt dabei meist auf die Schultern des Import-Trios Yannick Anzuluni, Terrell Harris und Tony Hicks – sie wechseln sich als Topscorer regelmäßig ab. Nur in einer einzigen Partie trägt sich ein anderer Wolf als bester Korbjäger in die Statistik ein (Martin Bogdanov, 18 Punkte gegen Paderborn), ansonsten ist auf das Trio aus Übersee Verlass. In gegnerischen Vorberichten und Hallenheften liegt auch das Hauptaugenmerk auf Anzuluni, Harris und Hicks, die dem Gegner jeweils im Schnitt um die 14 Zähler einschenken. Hinzu kommt Tom Alte, der sich im Laufe seiner ersten ProA-Saison von Spiel zu Spiel verbessert und oft in entscheidenden Phasen mit auf dem Parkett steht. Gleiches gilt für die deutschen Routiniers Martin Bogdanov und Michael Jost.
Vor dem letzten Hauptrundenspiel ist die Wahrscheinlichkeit auf ein Nordduell in der Meisterrunde eher gering. Dass es letztlich doch so kommt, ist einer Niederlage der Towers in Tübingen geschuldet. Die SEAWOLVES sind am 30. Spieltag auf Schützenhilfe angewiesen. Im Endspurt um die Playoff-Plätze haben sie einiges liegen gelassen. Drei der letzten vier Saisonspiele sind verloren gegangen. In Trier ist es noch knapp gewesen, daheim gegen verletzungsgeplagte Ehinger machte, wie schon im Hinspiel, der Kopf einen Strich durch die Rechnung, und somit ist das Hauptrundenfinale gegen die Artland Dragons quasi bedeutungslos. Die Zeichen stehen lange Zeit auf Sieg. Doch nach einer 22-Punkte-Führung der Rostocker spielen nur noch die Gäste aus Quakenbrück, für die dieser Sieg nach erfolgreicher Aufholjagd einem versöhnlichen Saisonabschluss gleicht. Der Zug für die Playoffs war bei den Drachen schon vor Wochen abgefahren. Die SEAWOLVES hingegen müssen Pfiffe des Publikums und eine empfindliche Heimniederlage hinnehmen. Da spendet auch die Tatsache keinen Trost, dass ein Sieg nichts am fünften Tabellenplatz hätte ändern können – eben weil die Towers auswärts unterliegen und auch die direkte Konkurrenz aus Heidelberg und Nürnberg gewinnt.
Somit kommt es in den Playoffs zum erneuten Aufeinandertreffen der beiden Nordclubs, die sich im Viertelfinale einen hochklassigen Kampf liefern. Letztlich müssen sich die Wölfe den clever auftretenden Hamburgern in vier Spielen mit 1:3 geschlagen geben. Wie auch in den vergangenen vier Jahren unterliegen die SEAWOLVES in den Playoffs entweder dem späteren Meister (2015: Oldenburg, 2018: Elchingen) oder dem Aufsteiger (2016: Dresden, 2017: Karlsruhe), da das Team aus der Elbmetropole sich im Halbfinale gegen Chemnitz durchsetzt und den Aufstieg in die 1. Liga feiert.
Milan Škobalj findet nach dem Playoff-Aus die passenden Worte: „Diese Niederlage ist nicht das Ende der Welt. So ist das Leben. Wir müssen daraus lernen.“ Letztlich wirkt auch er zufrieden mit der Leistung der ROSTOCK SEAWOLVES nach ihrer ersten Saison in der ProA. „Insgesamt haben wir ziemlich gut abgeschnitten in unserem ersten ProA-Jahr. Wir wollten überleben und den Klassenerhalt, am Ende wurde der Traum mit den Playoffs Wirklichkeit.“
Das verflixte zweite Jahr
Es gleicht der sprichwörtlichen Ironie des Schicksals, dass an einem Freitag, den 13., das Ende seinen Anfang nimmt. An diesem stürmischen Tag im März 2020 hat der Spielplan der 2. Basketball Bundesliga ProA die Begegnung zwischen den ROSTOCK SEAWOLVES und den RÖMERSTROM Gladiators Trier vorgesehen. Die Planungen für das Duell der Hanseaten gegen die Moselstädter beschäftigt Fans und Club-Verantwortliche seit Wochen, knapp 2.000 Tickets sind bereits verkauft. Dann nehmen die Dinge ihren Lauf, allerdings: Komplett anders als geplant. Grund für das nicht überschaubare, sich anbahnende Chaos ist das Corona-Virus, das die Welt in eine Stockstarre versetzt und zum Umdenken zwingt.
Drei Tage vor dem Heimspiel gegen Trier melden die Wölfe, dass das Spiel trotz der vielen Absagen anderer Großveranstaltungen stattfinden soll. Nur 24 Stunden später – 48 Stunden vor dem geplanten Spiel soll die Partie ohne Zuschauer ausgetragen werden. Doch zum Geisterspiel kommt es nicht, da die Politik Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Gästen einen Riegel vorschiebt. Die Liga beschließt, den 30. Spieltag auszusetzen. Nur um am darauffolgenden Dienstag die Saison 2019/2020 vorzeitig abzubrechen. Für die ROSTOCK SEAWOLVES bedeutet diese Entscheidung, dass die Jagd um die Playoff-Teilnahme vorüber ist. Als Zwölfter der Rangliste hätten die Wölfe viel Schützenhilfe benötigt und selbst alles in die Waagschale werfen müssen, um noch unter die besten Acht der Abschlusstabelle zu kommen. Doch ohne vollendeten Spielplan kein finales Tableau.
Dieses abrupte Ende der Spielzeit 2019/2020 passt zur zweiten Saison, die die ROSTOCK SEAWOLVES in Deutschlands zweithöchster Liga hingelegt haben. Es ist ein Jahr, das in die Geschichtsbücher eingeht: mit vielen Tiefen und mittleren Höhen, einer Achterbahnfahrt gleichend, mit Spieler- und Trainerwechseln, mit mehr Niederlagen als Siegen und der ständigen Suche nach Konstanz und Identität.
Im zweiten ProA-Jahr wollen die Wölfe den Rückenwind aus der Premierensaison nutzen, um sich in der Liga zu etablieren. Wie so oft im Profisport gestaltet sich die zweite Saison in einer Liga allerdings als holprig. Die Mission ist klar: Der Erfolg des Vorjahres soll mindestens wiederholt werden, das Minimalziel heißt jedoch, frühzeitig den Klassenerhalt zu meistern und dann zu schauen, was möglich ist. Doch zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft im zweiten Jahr eine gewaltige Lücke. Es ist verflixt und birgt ganz eigensinnige Dynamiken. Die Wölfe können nicht mehr so befreit jagen wie als Neuling, als die Reviere noch unerforscht waren und niemand das Rudel wirklich einschätzen konnte. Im zweiten Jahr sind die SEAWOLVES die Gejagten – und haben mit einigen Herausforderungen zu kämpfen.
Cheftrainer Škobalj muss im Sommer den Kader umbauen. Leistungsträger wie Terrell Harris haben sich für höhere Aufgaben empfohlen. Publikumslieblinge wie Chris Frazier, Darian Cardenas oder Jordan Talbert, die in der ProB noch viel Verantwortung geschultert und Minuten gesehen haben, im ersten ProA-Jahr jedoch mit der härteren Gangart in der Liga Mühe hatten, wechseln zu Mannschaften in die ProB bzw. Regionalliga. Lediglich das deutsche Trio Alte, Bogdanov und Jost bildet den Kern der neuen SEAWOLVES-Mannschaft, in der lediglich Nachwuchsspieler Buchholz und Co-Trainer Andreas Barthel beim Aufstieg 2018 live dabei waren.
Das Team mit neuen Gesichtern wie Grant Sitton, Donte Nicholas, Haris Hujic oder Kalidou Diouf braucht Zeit, um sich als Mannschaft zu finden und dass jeder seine Rolle verinnerlicht. Aus den ersten sechs Spielen gewinnen die Wölfe nur ein Mal. Die Rostocker pendeln sich in der unteren Tabellenhälfte ein, die Fans sitzen mit dem Team in der Achterbahn und hoffen, dass die Talfahrt endet und es wieder bergauf geht.
Von den nächsten sechs Partien können die Wölfe fünf für sich entscheiden und liebäugeln mit den Playoff-Rängen. Doch irgendwie scheint sich die Mär vom schweren zweiten Jahr trotzdem zu bewahrheiten. In der ProB hatten die SEAWOLVES ihre zweite Saison relativ erfolgreich gemeistert. Der Dämpfer folgte im dritten Jahr, als erst am letzten Spieltag durch einen Sieg in Recklinghausen die Playoffs erreicht und die Abstiegsrunde vermieden wurde – in einem dramatischen Fernduell mit Rivale Itzehoe.
In der Saison 2019/2020 spielt die Mannschaft unter Škobalj nicht mehr mit dem Feuer des Vorjahres, die Leistungen schwanken und die Ergebnisse schlagen deutlich aus – meist zu Ungunsten des Rudels. Die Erinnerungen aus dem Vorjahr an die “Knuschberzeit” sind verblasst; es gibt kein Déjà-vu.
Nach einem schwachen Start und nur einem Sieg aus den ersten sieben Spielen finden sich die Wölfe in der unteren Tabellenhälfte wieder. Eine klare Hierarchie im Team ist schwer auszumachen; es gibt zu viele Spieler, die ihre Rolle nicht gut genug kennen bzw. auszufüllen vermögen. Die Philosophie, die Mannschaft mit zehn Profis ähnlicher Qualität aufzustellen, klingt in der Theorie gut, fällt jedoch ein ums andere Mal durch den Praxistest. Spieler werden ausgewechselt, wenn sie gut spielen, nur um alle anderen Akteure zufriedenzustellen, die stattdessen zum Einsatz kommen, und die Minuten gerecht zu verteilen. Die Mannschaft ist kein Team; fünf Finger bilden keine Faust, die schlagkräftig für Siege kämpft. Es fehlt an Durchsetzungsvermögen. Auch Skobalj kann sein Rudel nicht mehr erreichen. Im Training fehlt es an Elan, Energie und Ehrgeiz. Der Funke springt nicht mehr über, es fehlt an Brennstoff für das Feuer. Die SEAWOLVES unterliegen zuhause dem FC Schalke 04 Basketball; gegen Heidelberg und Ehingen verspielen sie jeweils eine 17-Punkte-Führung. Bereits Ende November schwebt das Damoklesschwert über dem Stuhl des Serben. Mit einem Sieg in Schwenningen sowie Erfolgen gegen Karlsruhe und Bremerhaven sieht die Bilanz der Rostocker wieder etwas freundlicher aus. Dennoch fehlt es weiterhin an Struktur und Spirit, um die Erfolgsserie von fünf Siegen in sechs Spielen weiter auszubauen. Die nächsten drei Partien gegen Kirchheim, Hagen und den späteren Aufsteiger Chemnitz verlieren die SEAWOLVES zweistellig und beenden die Hinrunde 2019/2020 als Tabellenzwölfter mit einer Bilanz von nur sechs Siegen und zehn Niederlagen. Die Bilanz zum Jahreswechsel ist ernüchternd und weit hinter den Erwartungen. Am Silvestertag besuchen die beiden Verantwortlichen André Jürgens und Jens Hakanowitz das Training in Bargeshagen und lassen im Anschluss eine Silvesterrakete in die Höhe steigen – als Zeichen der Hoffnung, als Symbol für bessere Zeiten und dass die Erfolgsgeschichte der SEAWOLVES ihre Fortsetzung findet.
Dass der Aberglaube eine kleine Nische im Profisport genießt, ist nichts Neues, ähnlich wie die Binsenweisheit der “schweren zweiten Saison”. Viele Spieler pflegen bestimmte Rituale und Routinen, sei es vor oder nach dem Training bzw. beim Wettkampf. Oder wie im ProA-Premierenjahr 2018/2019, als die Wölfe auswärts mehr Siege erbeuten konnten als im eigenen Revier. Damals konnten die Rostocker von ihren ersten sieben Heimspielen in der ProA nur einmal gewinnen. Im Weihnachtsspiel gegen Tübingen sollte der Heimfluch besiegt werden. Auf den Klatschpappen war das bekannte Lied “Sind die Lichter angezündet” abgedruckt, jeder der über 3.500 Zuschauer in der Wolfshöhle bekam dazu ein LED-Licht. Vor der Partie besangen die Fans die Hoffnung in eindrucksvoller Kulisse – und feierten nach dem Spiel einen befreienden 78:70-Sieg.
Die Wirkkraft der Rakete sollte sich wenige Tage später entfalten – und die ROSTOCK SEAWOLVES schlagartig auf die sportliche Landkarte Deutschlands befördern.
Montag, 6. Januar 2020. 21:15 Uhr
Die Meldungen im Internet überschlagen sich. Milan Skobalj ist nicht mehr Coach der SEAWOLVES. Einen Tag zuvor hat der Serbe die Wölfe noch zu einem 82:72-Sieg über Aufsteiger Schwenningen geführt. Es ist sein letzter Auftritt an der Seitenlinie in der heimischen Arena gewesen, sein 26. Sieg mit den Seawolves im 51. Spiel, allesamt in der ProA. “Die Entscheidung, Milan das Amt des Cheftrainers zu entziehen, ist uns nicht leicht gefallen”, bezieht Manager Jens Hakanowitz öffentlich Stellung und erklärt: “Trotz des Sieges gegen Schwenningen bereitet uns die aktuelle Situation Sorgen und ist nicht zufriedenstellend.” Auf Skobaljs Schultern lastet der Erfolgsdruck schon die gesamte Saison.
Am ersten Montagabend im Jahr 2020 platzt nach der Meldung, dass Milan Skobalj nicht mehr als Head Coach der SEAWOLVES im Amt ist, die richtige Bombe: Dirk Bauermann, Deutschlands erfolgreichster Basketballtrainer mit neun Meisterschaften und vier Pokalsiegen, unterschreibt in Rostock. Die Nachricht sorgt für ein zuvor nie dagewesenes Interesse an den ROSTOCK SEAWOLVES.
Der Sportliche Leiter Jens Hakanowitz weiß um die Strahlkraft des neuen Rostocker Cheftrainers: „Dirk Bauermann als Head Coach zu verpflichten, ist eine einmalige Chance. Mit seiner Erfahrung, Führungsqualität und Expertise wird er den Basketballstandort Rostock weiter voranbringen.“ In den Schlagzeilen herrscht kollektives Augenreiben, da der erfolgreichste deutsche Trainer bei einem Zweitligisten anheuert. In den Medien ist von “spektakulärer Coach-Coup” bzw. “Paukenschlag” zu lesen, dass der frühere Bundestrainer in der Basketballprovinz Deutschlands unterschreibt.
In den Sozialen Medien und Foren überschlagen sich die Meinungen und Kommentare. Die deutsche Sportwelt blickt auf die Universitäts- und Hansestadt, auf ihren Zweitligaclub mit der Erstligavision. Nach der Entlassung Skobaljs schauen die Medien verwundert, aber ohne großes Aufsehen auf die Wölfe, nun starren sie buchstäblich auf die SEAWOLVES, weil Bauermann das Ruder übernommen hat.
Bauermann gewann mit Leverkusen von 1990 bis 1996 sieben Deutsche Meisterschaften und feierte vier Pokalsiege. 2005 und 2007 folgten zwei weitere Meisterschaften mit Bamberg. Mit dem FC Bayern München gelang in der Saison 2010/2011 direkt der Aufstieg von der ProA in die erste Liga. Als Bundestrainer gewann er 2005 mit der Deutschen Nationalmannschaft die Silbermedaille bei der Europameisterschaft und nahm 2008 mit Deutschland an den Olympischen Spielen in Peking teil. Bauermanns Vita ist lang, die Vitrine mit den Trophäen prall gefüllt, ebenso seine Truhe mit dem reichhaltigen Erfahrungsschatz.
Auf der Pressekonferenz am Folgetag platzt der Raum beim Hauptsponsor förmlich aus den Nähten. Kamerateams, Fotografen, Journalisten füllen den Raum, gieren nach Aufnahmen und Antworten. Bauermann manövriert gelassen und professionell durch den Fragenhagel. In 30 Jahren Profigeschäft hat er fast alles gesehen. Rostock ist für ihn eine Herausforderung an einem Standort mit viel Potenzial.
Er diktiert den Medienvertretern in die Notizblöcke, dass er die Vision und den Plan der SEAWOLVES teilt, den Standort in die erste Liga führen will. Bauermann denkt wie die Club-Verantwortlichen ganzheitlich, strebt sowohl den Erfolg der Profimannschaft als auch die Entwicklung des gesamten Programms mit dem starken Nachwuchsbereich an. Bauermann ist der neue Fixstern am Rostocker Basketballhimmel.
Der 62-Jährige ist ein Menschenfänger, dank Charisma und Charakter. Wenn er redet, hört sein Gegenüber zu. Das gilt für die Medien, das Team, die Fans. Alle hängen gebannt an seinen Lippen, wenn er spricht; wie ein Großvater, der seinen Enkeln Geschichten vorliest. Bauermanns Geschichten sind spannend und voller Botschaften; er weiß um die Kraft seiner Worte, wählt sie bewusst und präzise, denn sie sollen motivieren, stärken, begeistern, fesseln und überzeugen.
Das erste Spiel unter Bauermanns Führung geht mit nur drei Punkten (79:82) gegen den Tabellenzweiten und Erstligaabsteiger Bremerhaven am 10. Januar verloren. In den wenigen Tagen seit seiner Ankunft in Rostock hat Bauermann die zerfahrene Mannschaft zurück in die Spur gebracht und vor allem an der Einstellung und der Verteidigung gearbeitet. Nach seinem Heimdebüt am 15. Januar und einem knappen 71:68-Erfolg über Kirchheim greift Bauermann nach dem Spiel zum Mikrofon und drückt seine Wertschätzung gegenüber den Rostocker Zuschauern aus. An diesem Abend ist es nicht nur der Sieg, der für gute Stimmung und neue Zuversicht sorgt, sondern vielmehr Bauermanns Botschaft, die er an die Fans sendet. Bauermann bedankt sich für die Unterstützung von den Rängen. Die über 2.300 Zuschauer hören gebannt zu, sie lauschen dem Gesagten. Bauermanns Worte treffen direkt ins Herz der Fans, die applaudieren und den neuen Cheftrainer der Wölfe gebührend feiern.
Er weiß aus seinen 30 Jahren als Coach, wie er welche Hebel in Gang setzen muss, um etwas zu bewegen. Charisma, Psychologie, Erfahrung und Wissen mischt Bauermann zu einem Cocktail, den er bewusst der Öffentlichkeit serviert. Bei den Wölfen verändert er die Mentalität und spritzt neue Motivation in den Kader.
Dennoch setzt sich die Achterbahnfahrt fort. Das Team ist nicht konstant genug. Sieg und Niederlage wechseln sich ab, das Rudel entwickelt keinen Jagdinstinkt. Von den ersten drei Spielen unter Bauermann gewinnen die SEAWOLVES zwei. Dann folgt ein heftiger Dämpfer in Nürnberg, bei dem die Rostocker von Beginn an keine Chance haben. Der Korb ist wie zugenagelt, die Hausherren dominieren das Geschehen. Rostock tritt nach einer deutlichen 52:77-Niederlage die Heimreise an. Zu diesem Zeitpunkt ist es sowohl die höchste Pleite der SEAWOLVES als auch die schwächste Offensivausbeute seit ihrer ProA-Zugehörigkeit. Das Debakel in Mittelfranken stellt für Bauermann “keinen Beinbruch” dar, denn “solche Spiele passieren”.
Trotz des nüchternen Auftritts beim späteren BBL-Aufsteiger Chemnitz (82:109) bleiben die SEAWOLVES voller Hoffnung auf die Playoffs, denn unter Dirk Bauermann gelingen in vier Heimspielen vier Siege. Mit den Uni Baskets Paderborn steht den Wölfen am 1. März eine der Überraschungsmannschaften der Saison gegenüber. Eine Halbzeit lang läuft alles nach Plan und die SEAWOLVES geben den Ton an. Dann aber vergeigen sie den Rest der Partie, während Paderborn sich nach 16-Punkte-Rückstand zurückkämpft, sich in die Verlängerung rettet und gewinnt. Diese Partie ist symptomatisch für die Saison; sie gleicht einer Achterbahn, in der sich die SEAWOLVES befinden: Nach Hochphasen stürzen sie ab, werden geschüttelt und merken erst, was passiert ist, als es schon zu spt ist. “Unsere Leistung ist unentschuldbar. Es ist eine absolute Enttäuschung, ein solches Spiel zu verlieren, wenn man eine 16-Punkte-Führung hat”, wettert Coach Bauermann nach der Partie und richtet sich auch an die fast 3.700 Fans in der Halle. Es hagelt Pfiffe von den Rängen. “Entschuldigung an die Fans für diese aus meiner Sicht viel zu wenig inspirierte Verteidigungsleistung in der zweiten Halbzeit.”
Eine Woche später setzt sich beim Schlusslicht Ehingen das Drama fort. Die Wölfe müssen bis in die Schlussphase zittern. Lange Zeit haben sie das Spiel im Griff, führen zwischenzeitlich mit 15 Zählern, doch die aufopferungsvoll kämpfenden Schwaben finden zurück in die Partie und führen 75 Sekunden vor Schluss mit fünf Punkten. Irgendwie gelingt es den Ostseestädtern dann aber doch noch – dank Brechstange und Zach Lofton -, das Spiel zu drehen. Nach Loftons Fehlwurf angelt sich Donte Nicholas in der Hektik der herunterlaufenden Sekunden einen Offensiv-Rebound. Der Spieler mit den Dreadlocks springt über Mit- und Gegenspieler, die im Getümmel auf dem Boden liegen, und drückt ab zum entscheidenden Korbleger. Beim Ertönen der Sirene rauscht der Ball durch die Reuse und der knappe 91:90-Auswärtserfolg ist unter Dach und Fach. Nur so richtig wahrhaben will es seitens der SEAWOLVES kaum jemand, weil der Sieg gegen den Tabellenletzten überaus glücklich ist.
Bauermann ist verärgert nach der Begegnung: “Es ist bemerkenswert, mit welcher Energie und Galligkeit Ehingen heute aufgetreten ist. Ich bin nicht zufrieden mit unserer Verteidigung und unserem Spiel. Wir sind in einer Situation, in der wir wissen, dass wir gewinnen müssen, um noch eine Chance auf die Playoffs zu haben. Da muss man einfach mehr investieren. Wir haben gewonnen, aber Ehingen war heute der moralische Sieger.“
Durch diesen Erfolg am 6. März sind die Playoffs weiterhin möglich, wenngleich noch harte Brocken wie Trier, Heidelberg oder Hagen warten. Wenn alles wie geplant gelaufen wäre…
Niemand ahnt an diesem Abend, dass die nächsten Monate und Jahre anders sein werden. Das vorzeitige Saisonende begräbt alle Hoffnungen und Wünsche auf einen versöhnlichen Abschluss des zweiten ProA-Jahres. Plötzlich rückt der Sport ins Abseits, die SEAWOLVES stehen vor einer ungewissen Zukunft. Dass die Weltordnung auf den Kopf gestellt und von einem Tag auf den anderen alles anders bleibt. Auslöser ist ein Virus, das das gesellschaftliche Leben derart beeinflusst, dass niemand die Auswirkungen abschätzen kann.
Am Freitag, den 13. März, weiß niemand, wann es wieder Profibasketball geben wird.
Umbruch mit Bauermann
Das Abschneiden der zweiten Saison in der ProA liegt deutlich unter den Erwartungen der Verantwortlichen im Verein. Trotz des Trainerwechsels von Skobalj zu Bauermann und des vorzeitigen Abbruchs der Saison 2019/2020 ist der zwölfte Platz nicht zufriedenstellend für die Ansprüche, die die Macher des Rostocker Basketballs hegen. Nach dem durchwachsenen zweiten Jahr in der Liga zieht Bauermann im Sommer 2020 alle Register. Er krempelt den Kader komplett um, von den Profis bleibt lediglich Michael Jost als “Krieger”, wie Bauermann ihn bezeichnet. Aus dem Jugendprogramm füllen die Talente Svante Schmundt, Nicolas Buchholz, Toni Nickel und Filip Skobalj das Team auf, bei dem sich die deutsche Trainerlegende aus der oberen Schublade bedient: Er lockt hochdekorierte Basketballprofis an die Ostsee, vor denen die Liga ehrfurchtsvoll zurück schreckt. Aus dem Iran holt Bauermann mit Behnam Yakhchali den “besten Guard Asiens”; der neue Rostocker Coach kennt den Guard aus seiner Amtszeit als Nationaltrainer des asiatischen Staates. Aus Lettland kommt der routinierte Center Ronalds Zakis, aus Estland heuert Rain Veideman an. Den deutschen Kern bilden Sid-Marlon Theis, Till Gloger, Brad Loesing und Stefan Ilzhöfer. Mit Chris Carter unterschreibt ein weiterer Profi mit der enormen Erfahrung von zwei Aufstiegen (Vechta 2018, Chemnitz 2020) in Rostock. Bauermann holt auch einen neuen Assistenztrainer an seine Seite. Andreas Barthel, der seit der Saison 2015/2016 als Co-Trainer in Rostock mit den Head Coaches Sebastian Wild, Ralf Rehberger, Milan Skobalj und auch Bauermann zusammengearbeitet hat, wird durch Christian Held ersetzt.
Mit diesem Kader soll der Aufstieg in die 1. Liga gelingen. Was auf dem Papier für Erstaunen und Eindruck bei gegnerischen Teams, der Liga und den Fans sorgt, erweist sich als ebenso erfolgreiches Unterfangen im Ligaalltag. Die Rostocker gelten vom ersten Spieltag an als die Star-Truppe der Liga und erfüllen die in sie gesetzten Erwartungen, indem sie sich früh an der Tabellenspitze festbeissen. Wie in jeder Saison läuft allerdings nicht alles rund. Im sechsten Saisonspiel sind die Wölfe zu Gast in Paderborn, als Zakis auf den zweieinhalb Zentner schweren Center-Koloss John Bryant prallte und sich derart schwer an der Schulter verletzt, dass er für den Rest der Saison ausfällt und für ihn der US-Amerikaner Keith Wright geholt werden muss. Weitere Nachverpflichtungen im Laufe des Jahres sind die Punktelieferanten Jarelle Reischel und Trevor Lacey wie auch ein blasser US-Guard mit starkem Distanzwurf. Sein Name: Tyler Nelson. Niemand kann damals erahnen, dass der Mann aus Massachusetts noch eine tragende Rolle bei den SEAWOLVES einnehmen soll.
Eine derart tief besetzte Truppe ging wahrscheinlich nie zuvor in der 2. Liga Deutschlands auf Korbjagd – abgesehen von dem Team mit namhaften Nationalspielern wie Steffen Hamann, Demond Greene, Robin Benzing oder Jan Jagla, das die Münchner 2010/2011 ins Rennen schickten. Damals stand übrigens auch Dirk Bauermann als Cheftrainer an der Seitenlinie. Und der Aufstieg in die 1. Liga gelang.
Allerdings wirft der Glanz der Wölfe innerhalb des Teams auch Schatten: Wer soll bei den vielen Häuptlingen im Aufgebot in der entscheidenden Phase eines Spiels Verantwortung schultern und den wichtigen Wurf nehmen? Der Druck lastete auf den Spielern, vielmehr jedoch auf Bauermann, der mit Disziplin, Akribie und Arbeitsethos zahlreiche Erfolge auf nationalem und internationalem Niveau in seiner über 30 Jahre andauernden Laufbahn gefeiert hat.
Nach einer Auftaktniederlage in Bremerhaven rauschen die Wölfe von Sieg zu Sieg, holen sieben Erfolge am Stück und leisten sich in der gesamten Saison lediglich sechs Niederlagen. In den letzten zehn Spielen der Hauptrunde verlassen sie das Parkett als Sieger – und stürmen als Aufstiegsfavorit in die Playoffs. “Für uns ist es ein historischer Augenblick: Die ROSTOCK SEAWOLVES sind Erster in der ProA. Das ist eine ganz tolle Geschichte für den Verein, für die Stadt, für die Mannschaft”, sagt Bauermann nach dem letzten Sieg der regulären Saison, einem 84:75-Heimsieg gegen Jena. Zugleich hadert er auch mit dem geänderten Modus in der Aufstiegsrunde: “Nun sind wir in einer extrem schweren Gruppe in den Playoffs. Aber die Dinge sind, wie sie sind. Wir sind sehr gut gerüstet, haben jetzt zehn Spiele in Folge gewonnen und sind (bis auf Stefan Ilzhöfer) erstmals seit vielen Monaten gesund. Nun freuen wir uns, dass es um die Meisterschaft bzw. um den Aufstieg geht.”
Die Vorfreude ist gedämpft von den Auswirkungen des Corona-Virus, das die Gesellschaft und damit auch die Kulturlandschaft und den Sport nachhaltig beeinflussen sollte. Für den Basketball in der ProA bedeutet es, dass die Playoffs nicht wie im üblichen Format ausgespielt werden. Die ersten acht Teams der Abschlusstabelle bilden nicht die vier Viertelfinalpaarungen, in denen der Erste gegen den Achten, der Zweite gegen den Siebten, der Dritte gegen den Sechsten und der Vierte gegen den Fünften in maximal fünf Spielen antreten muss. Nein. Auch der Heimvorteil, für den die gesamte Saison über Siege eingefahren und der Platz an der Tabellenspitze erarbeitet worden sind, ist bedeutungslos. Stattdessen werden die Playoff-Teams in zwei Gruppen geteilt, sodass einerseits die Teams von Rang 1, 4, 5 und 8, andererseits die Klubs der Plätze 2, 3, 6 und 7 untereinander ihre sechs Partien in Hin- und Rückspiel ausgetragen und den Gruppensieger ermitteln. Die Rostocker bekommen es in ihrer Staffel mit Leverkusen, Jena und den Artland Dragons zu tun. Nach einer Auftaktniederlage gegen Jena folgt zwar ein Sieg gegen die Drachen aus Quakenbrück, doch nach zwei Niederlagen gegen Leverkusen und einer weiteren vermeidbaren Pleite gegen die Artländer sind die Aufstiegsträume der Hanseaten geplatzt. Einzig das letzte Saisonspiel sollte den Weg bereiten für ein neues, hoffnungsvolles Kapitel mit neuem Elan und einem Spieler, der in dieser Partie seinen Durchbruch feiern soll.
Am 2. Mai 2021 treffen die SEAWOLVES in eigener Halle auf Jena. Mit einem Sieg würden die Thüringer ihre Hoffnungen für den Aufstieg in die 1. Liga am Leben halten. Und so spielten sie auch. Zur Halbzeit liegen die Gäste von der Saale mit 19 Punkten vorn. Die Rostocker spielen gut, doch Jena spielt besser. Für die SEAWOLVES ist das Spiel ohne sportlichen Wert, es geht um einen versöhnlichen Saisonabschluss. In der ersten Halbzeit zappelt fast jeder Wurf der Jenaer in der Reuse der Rostocker. In der Statistik stehen nach 20 Minuten unfassbare Wurfquoten von 85 Prozent aus dem Zweipunktebereich (17 Treffer bei 20 Versuchen), 70 Prozent von jenseits der Dreipunktelinie (7/10) und 86 Prozent von der Freiwurflinie (6/7). Insgesamt 61 Zähler haben sie den Wölfen nach zwei Vierteln eingeschenkt. Die SEAWOLVES versuchen ihrerseits dagegen zu halten, doch ihre Wurfquoten von 56 Prozent, 50 Prozent bzw. 90 Prozent wirken blass im Vergleich zur Treffsicherheit des Gegners. Jena spielt mit Mumm, Charakter und Herz und zeigt den Rostockern in eigener Halle, wer der Herr im Hause ist und an die Tür der 1. Liga anklopft. 49 Sekunden vor dem Kabinengang trennen beide Teams 21 Zähler (38:59).
In der zweiten Hälfte bleiben die Wölfe aggressiv und zeigen sich in dem Wissen, dass die Wurfquoten der Jenaer bei gleichbleibender Intensität sinken würden. So kommt es auch. Bezeichnend ist ein Block von Kapitän Michael Jost an Jenas Center Robin Lodders. Am offensiven Ende rechtfertigt Tyler Nelson seine Einsatzzeit. Kam der US-Guard in den bisherigen Playoffs kaum bis gar nicht zum Zug, so nutzt er seine knapp 20 Minuten auf dem Feld mit sehenswerten Dreipunktewürfen. Nach seinem Distanztreffer zum 57:71 (26. Min) nimmt Jenas Coach Frank Menz direkt die Auszeit. Doch der Rhythmus der Rostocker bleibt trotz der Unterbrechung bestehen. Sid-Marlon Theis lässt zwei weitere Treffer von außen folgen, ehe Nelson erneut einnetzt. In der 29. Minuten beträgt der Unterschied zwischen beiden Teams nur noch vier Zähler (72:76). Science City zieht bis zum Viertelende mit einem 5:0-Lauf davon (72:81).
Im Schlussviertel läuft der Offensivmotor auf Hochtouren. Trevor Lacey trifft per Korbleger und aus dem Halbfeld. Nelson ist weiterhin in Wurflaune. In der 35. Minute steht es nach einem weiteren Dreier von ihm 87:89. Lacey gleicht daraufhin aus der Nahdistanz zum 89:89 aus; erstmals seit Beginn des Spiels steht es somit unentschieden. Jena antwortet mit fünf Punkten in Serie; Julius Wolf und Kasey Hill treffen für die Thüringer. In der Schlussphase wird das Spiel zu einer Nervenschlacht für die Thüringer. Nachdem Nelson mit seinem fünften Dreier des Abends auf 92:94 (37. Min) verkürzt hat, zieht er in der Defensive das Offensivfoul. Jena ist von der Rolle und verliert im nächsten Angriff erneut den Ball nach Rückspiel. Till Gloger, der unter den Körben ackert, trifft 2:20 Minuten vor Schluss zum 94:94. 75 Sekunden vor Schluss nimmt Chris Carter Maß von jenseits der Dreipunktelinie und beschert seinen SEAWOLVES die erste Führung des Abends – 99:96. Auf eine Jena-Auszeit folgt erneut ein Angriff über Carter, der per Drei-Punkte-Spiel einnetzt. An der Freiwurflinie lassen die Wölfe in der verbleibenden Zeit dank ihres Matchwinner-Duos Nelson und Carter nichts mehr anbrennen; sie behalten in der Schlussphase die Nerven und markieren die letzten fünf Rostocker Zähler von der Linie. Jena versucht alles, um die Niederlage noch abzuwenden, doch die SEAWOLVES lassen sich den Sieg in ihrem letzten Saisonspiel nicht mehr nehmen.
Coach Dirk Bauermann sagt nach der Partie: “Das Spiel glich einer Achterbahnfahrt. Die Jungs haben unglaublich viel Charakter und Willen gezeigt. Sie haben gezeigt, wie gut sie sind. Das war ein toller Abschluss einer großartigen Saison, in der wir am Ende zwar nicht das ganz große Ziel erreicht haben. Umso wichtiger war auch heute der Sieg, um mit einem guten Gefühl in den Sommer zu gehen.”
Das gute Gefühl gleicht vielmehr einem Wechselbad, denn der Sommer 2021 bedeutet nach knapp 16 Monaten das Ende der kurzen, wenn auch medienwirksamen und sehr wegweisenden Ära Dirk Bauermanns. Sein Wirken hat in der Organisation des Vereins Spuren hinterlassen; sowohl bei den Profis als auch im Jugendleistungsbereich und in der Infrastruktur des Klubs. Das Trainingszentrum in Bargeshagen ist umgebaut und ausgebaut worden, um für Spieler noch mehr Möglichkeiten zu bieten. Mehr Agenten wissen seither um den Basketballstandort Rostock, dass ihre Klienten hier gut aufgehoben und die Ziele des Vereins ambitioniert sind.
Dennoch entscheiden sich Verein und Bauermann gegen eine weitere Zusammenarbeit. “Dirk Bauermann hat die ROSTOCK SEAWOLVES zu ihrer erfolgreichsten Saison überhaupt geführt und endgültig auf die Deutschlandkarte gebracht. Nicht nur deshalb wird er immer bei den SEAWOLVES willkommen sein. Wir respektieren seinen Wunsch, sich in Zukunft verstärkt um die tunesische Nationalmannschaft zu kümmern, und planen weiterhin im engen Austausch zu bleiben”, sagt der Sportliche Leiter Jens Hakanowitz.
“Meine 16 Monate in Rostock haben mir große Freude bereitet. Ich habe Stadt und Club schätzen und lieben gelernt. Die Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen im Verein war immer vertrauensvoll und getragen von hohem gegenseitigem Respekt”, sagt Bauermann. “Wir haben es gemeinsam geschafft, die SEAWOLVES als absoluten Topclub in der ProA zu etablieren und ihn auch darüber hinaus bekannt zu machen. Vor allem bei unseren großartigen Fans möchte ich mich für die tolle Unterstützung bedanken.” Im Februar 2020 übernimmt Bauermann parallel zu seinem Job bei den SEAWOLVES den Posten als Cheftrainer der Tunesischen Nationalmannschaft. Bereits unterjährig hat er seinem Co-Trainer Christian Held in manchen Spielen die Verantwortung übertragen und seinen Assistenten im Handeln beobachtet. Womöglich ist in dieser Zeit sein Entschluss gereift. “Am Ende habe ich gespürt, dass es Zeit ist, den Stab an [Co-Trainer] Christian Held weiter zu geben”, sagt Bauermann. “Ich bin sicher, dass er in Rostock hoch erfolgreiche Arbeit abliefern und den eingeschlagenen Weg konsequent weiterführen wird. Rostock, die SEAWOLVES und seine Fans haben einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen. Ich werde dem Verein immer verbunden bleiben.”
“Nachdem feststand, dass Dirk Bauermann in der kommenden Saison nicht mehr Cheftrainer der SEAWOLVES sein würde, haben wir uns mit Christian Held zusammengesetzt und gemeinsam beraten. Schnell war klar, dass wir in ihm den passenden Nachfolger sehen”, erklärt Hakanowitz und begründet die Entscheidung: “Christian ist jung und hungrig. Er hat mit seinen 32 Jahren bereits sehr viel Erfahrung gesammelt. In zehn Jahren ProB und ProA hat er von Spitzentrainern wie Mladen Drijenčić (Oldenburg) und Dirk Bauermann gelernt und ist bereit für den nächsten Schritt. Christian hat schon in der vergangenen Saison – nicht nur in den Spielen als Interims-Cheftrainer – gezeigt, welches Potenzial in ihm steckt. Wir wollen nun als Verein gemeinsam diesen Weg mit ihm gehen.”
Christian Held unterschreibt im Sommer 2020 einen Zweijahresvertrag bei den SEAWOLVES als Assistenztrainer an der Seite von Coach Dirk Bauermann. Von 2016 bis 2020 hat der 32-Jährige bei den Gladiators Trier gearbeitet, zunächst zwei Jahre als Jugendkoordinator und Assistenztrainer an der Seite von Cheftrainer Marco van den Berg, dessen Posten er zur Saison 2018/2019 übernahm. Zuvor war Held als Trainer im Nachwuchsbereich des Bundesligisten EWE Baskets Oldenburg tätig und feierte 2015 und 2016 die ProB-Meisterschaft. Nun steigt der gebürtige Aachener vom Co- zum Cheftrainer in Rostock auf und verfolgt mit den SEAWOLVES die weiterhin ambitionierten Ziele.
“Ich stand mit Dirk immer in sehr engem Austausch über die Mannschaft und die Situation des Clubs und wo man Dinge verbessern könnte. Ich bin ihm sehr dankbar für alles, was er für mich getan hat. Er war für mich auch ein Mentor; dafür bin ich ihm unglaublich dankbar. Mir hat die Zusammenarbeit mit ihm unglaublich viel gebracht und sehr viel Spaß gemacht”, sagt Held. “Nun freue ich mich darauf, die gemeinsam mit vielen anderen begonnene Arbeit fortführen zu dürfen.”
Gesagt, getan. Mit seiner Amtsübernahme tüfteln Held und Hakanowitz am Kader für die neue Saison. Nachdem der Trainerstab um Vater Ralph Held und den in Rostock ausgebildeten Nachwuchstrainer Tom Schmidt vervollständigt worden ist und die Säulen der Vorsaison weiter das Wolfswappen tragen – Chris Carter, Sid-Marlon Theis, Stefan Ilzhöfer, Till Gloger, Brad Loesing, Mitch Jost und Tyler Nelson -, lotst der Club weitere wichtige Puzzle-Teil an die Ostsee: der pfeilschnelle und wurfstarke Guard Jordan Roland kommt aus Island, der vielseitige Flügelspieler Nijal Pearson aus Finnland; aus Bonn wechselt Center Gabriel de Oliveira in den Norden. Neben den Talenten Svante Schmundt und Roy Krupnikas stößt während der Saison auch der rebound-starke Robert Montgomery Jr. aus Griechenland zu den Wölfen.
Zudem investiert der Verein erstmals in einem Zuständigen für die Belange der Profis: Carolin Imhof wird als Teambetreuerin eingestellt und soll sich fortan um die Spieler und die Organisation des Profibereichs kümmern. Zusammen mit dem hauptamtlichen Physiotherapeuten Tom Fischer, der bei den Wölfen in seine dritte Saison geht, und Sebastian Böhm als Athletiktrainer in Vollzeit bildet das Trio den Betreuerstab an der Seite der drei Trainer.
Die Spieler der SEAWOLVES 2021/2022 haben zwar nicht die überwältigenden Karrieren der Akteure der Vorsaison vorzuweisen, dennoch strotzen sie vor Erfahrung, sind hungrig nach Siegen, lassen ihr Herz auf dem Parkett, spielen mit Leidenschaft und opfern sich für das Wohl des Rudels auf. Getreu den Worten von Dschungelbuch-Autor Joseph Rudyard Kipling: “Die Stärke des Rudels ist der Wolf, und die Stärke des Wolfes ist das Rudel.” Mit dieser Herangehensweise starten die Rostocker in eine denkwürdige Saison, die in der 100-minütigen Dokumenation “Ein Wurf für die Ewigkeit” (zu sehen auf YouTube) festgehalten wird. Den Rahmen bildet dabei die Rivalität mit Jena. Es beginnt mit der Aufholjagd im letzten, bedeutungslosen Spiel der Saison 2020/2021 und der Breakout-Performance von Tyler Nelson wie auch der Topleistung Chris Carters – und gipfelt im dramatischen Aufstiegskrimi in Jena, als Nelson die Wölfe 0,2 Sekunden vor Schluss in die 1. Liga wirft. Während der Saison entwickeln die SEAWOLVES ihre Mentalität und rocken die ProA mit elf Siegen in Serie. Sie sind drauf und dran, den Erfolg der vergangenen Saison zu wiederholen und als Tabellenkrösus die Hauptrunde zu beenden. Wäre da nicht erneut das Virus namens Corona, das sein Unwesen treibt und kurz vor dem Ende der regulären Saison die halbe Mannschaft außer Gefecht setzte. Die letzten drei Partien der Hauptrunde gehen verloren, die Rostocker starten somit als Zweiter in die Playoffs, die nach bewährtem Modus ausgespielt werden. Zunächst setzen sie sich in einer intensiven Serie gegen den siebtplatzierten Karlsruhe durch, ehe es zum Showdown gegen Jena kommen soll. Im ersten Spiel der Halbfinalserie behaupten sich die Rostocker eindrucksvoll mit 84:65, Spiel zwei geht an Jena (87:97). Die dritte Partie steht lange Zeit auf des Messers Schneide. Die Wölfe liegen zwar im zweiten Viertel mit 20 Punkten vorn, doch die Thüringer kämpfen sich bis kurz vor Ende bis auf einen Punkt heran. Nach einem unsportlichen Foul vom Jenaer Nico Brauner an Jordan Roland – Brauner tritt Roland mehrfach absichtlich auf den Fuß – 63 Sekunden vor Schluss erhält Rostock zwei Freiwürfe und Ballbesitz. Dank Rolands Nervenstärke (15 Punkte, 8 Rebounds, 6/6 Freiwürfe – allesamt in der Schlussminute) und einem bärenstarken Till Gloger (21 Pkt, 7 Reb) können die Wölfe den umjubelten Heimsieg davontragen.
So kommt es am 12. Mai 2022 zum vierten Duell der beiden Teams in Jena, in dem Tyler Nelson Legendenstatus erreichen sollte. Durch seinen Dreier in der Schlusssekunde gewinnen die Wölfe das vierte Playoff-Halbfinale bei Medipolis SC Jena mit 77:76 (43:35) und entscheiden die “Best-of-Five”-Serie mit 3:1 für sich. Neben Matchwinner Nelson, der 22 Punkte erzielt, zählt Till Gloger mit 21 Punkten zu den auffälligsten Akteuren bei den Rostockern.
Während das Team auf dem Rückweg von Jena nach Rostock im Bus feiert und einige Stunden Schlaf nachholt, kümmern sich Mitarbeiter aus der Geschäftsstelle um die Feierlichkeiten, telefonieren mit den Verantwortlichen im Rathaus, den Behörden und den Sicherheitsheitskräften. Sponsor Karls stellt einen Ernte-Anhänger, der zur Bühne umfunktioniert wird, bereit. Niemand kann abwägen oder erahnen, wie viele Fans den Weg zum Neuen Markt aufsuchen würden. Als am Donnerstagabend in Jena der Sieg feststeht, werden auf der Rücktour die Fans über die sozialen Medien auf das Event im Herzen der Stadt aufmerksam gemacht. Es ist überwältigend. Etwa zweitausend Fans jeden Alters begrüßen den Bus mit seinen Helden, der unter dem wummernden Bass der Seawolves-Hymne von Mauler von der Langen Straße auf den Neuen Markt einbiegt. Nacheinander klettern die Aufsteiger auf die Bühne. Zusammen mit dem Seawolves Danceteam, Mitarbeitern und den Vorständen André Jürgens und Jens Hakanowitz nimmt die Aufstiegsparty mit Schampus, Schweiß und Tränen ihren Lauf. Bedauerlicherweise hängt am Rathaus nicht mehr das Großbanner mit der Aufschrift “Teamgeist”, das den Wölfen einen Tag vor dem 4. Spiel in Jena Glück bringen sollte. Auch wenn es sich ausgezahlt hat, musste der überdimensionale Stoff aus Sicherheitsgründen abgenommen werden; die Windlast war zu groß.
Die Aufstiegsfeier auf dem Neuen Markt markiert den Höhepunkt einer langen Reise, es ist die Erfüllung eines großen Ziels, das Wahrwerden eines verrückten Traums. Niemand hätte es im Jahr 2013, als das Ziel 1. Liga ausgerufen wurde, für möglich gehalten, dass ein Basketballverein aus Rostock nur neun Jahre später den Weg in die 1. Liga meistern würde. Niemand, bis auf André Jürgens, Christian Stecher und ein paar wenige andere positiv Verrückte, die sich trotz aller Hürden und Unwegsamkeiten nicht von ihrem Ziel haben abbringen lassen. Sie haben die Steine als Ansporn genutzt, die ihnen in den Weg gelegt worden sind; sie haben daraus eine Treppe gebaut und sind Stufe um Stufe immer weiter empor gestiegen – bis das Ziel erreicht worden ist.
Jürgens’ Tränen auf dem Neuen Markt, untermalt vom rhythmischen Rufen seines Namens, sind Sinnbild für seine völlige Hingabe und Leidenschaft, für Aufopfern und akribische Arbeit, für das, was abfällt, wenn das Unmögliche möglich wird. Es ist eines dieser Motive, die die Liebe zum Spiel ausdrücken und die sich in das kollektive Gedächtnis aller eingebrannt haben, die an diesem Tag dabei waren.
Drei Tage später, es ist Montag, der 16. Mai, geht die Party weiter. Diesmal stehen die Wölfe wieder auf dem Parkett, bereit für einen weiteren Beutezug. Im Finale warten die Tigers Tübingen, die sich im anderen Halbfinale in drei Spielen gegen Leverkusen durchgesetzt haben. Lediglich 3.099 Fans sind in die StadtHalle gekommen, um den Aufsteiger im letzten Heimspiel der Saison im Kampf um die ProA-Meisterschaft anzufeuern. “Wir konnten in den vergangenen zwei Tagen kaum trainieren, weil die vielen Eindrücke der letzten Tage für viele neu waren. Heute haben die Jungs einen Riesencharakter bewiesen. Das macht mich unglaublich stolz auf diese Mannschaft”, diktiert Coach Held nach dem 81:73-Heimsieg in die Mikrofone der Medienvertreter.
Nach dem Spiel regnet es Konfetti und Glitzerschlangen von der Decke, die Fans jubeln ein weiteres Mal und sind – wie Maskottchen Wolfi und das Team – außer sich vor Freude. Doch es ist nicht das Ende des Wegs. Die Seawolves wollen nach dem Aufstieg auch noch die Trophäe holen.
Mit acht Punkten Vorsprung gehen sie fünf Tage später ins Rückspiel in Tübingen. Doch wer ein Basketballspiel erwartet hatte, sah sich getäuscht. Tyler Nelson und Nijal Pearson tragen in der ersten Halbzeit schwerwiegende Verletzungen davon, die nachts in einem Tübinger Krankenhaus in der Notaufnahme operative Eingriffe nach sich ziehen. Nelson hat Einblutungen im Unterleib, Pearson erleidet einen Bruch der Augenhöhle – beide spielen jedoch bis zum Ende, haben 21:08 bzw. 27:31 Minuten Einsatzzeit und zusammen 31 Punkte und zehn Rebounds gesammelt. Sie opfern sich für ihr Team auf, sie ordnen das eigene Wohl dem Erfolg unter, sie lassen das Rudel nicht im Stich – und das Rudel lässt sie nicht im Stich. So ist auch die letzte Schlacht der Saison 2021/2022 erfolgreich. Mit 78:77 setzen sich die Seawolves in Tübingen durch und belohnen sich für eine unvergessliche und märchenhafte Saison. Unter den Buhrufen – und anderem nicht jugendfreiem Gebrüll – der Tübinger Anhänger schneiden die Wölfe das Korbnetz ab, als Trophäe ihres Triumphs.
Nicht einmal 20 Stunden später feiern die Fans in Rostock mit ihrem Rudel erneut: dieses Mal den Gewinn der ProA-Meisterschaft, mit großer Tombola und Autogrammstunde. So großartig das Erreichte auch ist, schwingt auch immer Demut in solch einzigartigen Momenten mit, denn das Team, das dem Rostock Seawolves e.V. den größten Erfolg überhaupt beschert hat, wird in dieser Konstellation nie wieder zusammenspielen. Es ist die Erinnerung, die vielen Fans bleibt: an den Wurf für die Ewigkeit, an eine Saison für die Ewigkeit.