Der neue SEAWOLVES-Coach Przemyslaw Frasunkiewicz, kurz „Franz“, spricht im Interview über seinen Werdegang, seinen Weg nach Rostock, über seine Coaching-Philosophie, Vergleiche zwischen polnischem und deutschem Basketball, Gerüchte auf dem Spielermarkt und seine Ziele in der neuen Saison.
Bevor Sie nach Rostock gekommen sind, waren Sie Spieler, Nationalspieler und Coach in Polen. In der Saison 2022/2023 haben Sie den FIBA Europe Cup gewonnen. Wie hat Ihnen das Spielerdasein geholfen als Coach?
Przemyslaw Frasunkiewicz: Ursprünglich dachte ich immer, dass es da keine großen Unterschiede gab, aber seitdem ich Coach bin, muss ich sagen, dass ich als Spieler nicht viel wusste. Man hat ganz unterschiedliche Perspektiven. Als Spieler hast du meistens nur dich im Kopf. Als Coach musst du immer an 12, 15 verschiedene Charaktere denken, verschiedene Menschen. Das ist ein großer Unterschied. Ich hatte Glück, denn Piotr (Blechacz, Co-Trainer; Anm. d. Red.) hilft mir sehr viel. Er ist als Assistenz-Coach schon lange an meiner Seite.
Was sind seine Aufgaben?
Er macht sehr viel. Ich bin der Ansicht, dass jeder Assistenz-Coach einen Head Coach in sich tragen sollte. Daher bekommt er von mir auch solche Aufgaben, wie zum Beispiel, dass er manchmal mit Agenten redet. Ich weiß, dass das viele Head Coaches nicht machen, aber wie gesagt, mein Assistenztrainer sollte immer die kleine Variante des Head Coaches sein.
Also stehen Sie sich recht nah?
Ja na klar, wir streiten uns oft – sieht so aus, als ob wir uns nahestehen.
Wenn Sie auf Ihre aktive Laufbahn zurückblicken: Woran erinnern Sie sich dann am liebsten?
Ich habe damals EuroLeague gespielt, das war für mich die schönste Erinnerung – weil das etwas war, was ich so nie erwartet hatte. Ich war aber auch in Teams, die abgestiegen oder Meister geworden sind. Ich habe das ganze Spektrum des Sports erlebt.
Wie sind Sie dann Coach geworden?
Ich habe mit dem damaligen Präsidenten (von Asseco Gdynia, Anm.d.Red.) gesprochen, weil der Coach zu der Zeit rein polnisches Team trainieren wollte. Aber das war die ausgesprochene Philosophie für die Saison. Der Coach wollte es nicht machen. Er hatte Respekt davor, nur mit einheimischen Spielern eine siegreiche Saison zu gestalten. Es ist fast nicht machbar, nur mit polnischen Spielern erfolgreich zu sein. Aber ich war zu der Zeit 37 Jahre alt, ich hatte meinen Trainerschein in der Tasche. Also hatte ich die Idee, dort als Coach anzufangen. Er war auch begeistert, zwar nicht sofort, aber nach 5 Minuten meinte er: Lass es uns tun!
Und es hat ja anscheinend funktioniert.
Ja, wobei wir die ersten beiden Spiele zusammen mit knapp 50 Punkten verloren haben. Ich war danach wirklich schlecht gelaunt, aber irgendwie haben wir es geschafft, im dritten Spiel gegen einen richtig schweren Gegner auswärts zu gewinnen. Ab diesem Moment wusste ich, was zu tun war, um das Team in der Spur zu halten und Siege einzufahren. Das hängt auch immer vom Personal und Talent ab, aber diese beiden Spiele haben mich hart getroffen. Piotr war damals auch schon an meiner Seite und hat mich unterstützt. Ab diesem Moment habe ich meine Sichtweise geändert und wusste, dass es nicht so leicht sein wird. Es sind völlig unterschiedliche Jobs, Spieler oder Coach zu sein.
Genießen Sie es mittlerweile?
Ja, na klar – das ist etwas, was man nicht vergleichen kann. Man arbeitet die ganze Zeit an etwas und dann gibt es diesen Moment, wenn alle Puzzleteile ineinandergreifen. Das ist das Größte, die beste Erfahrung, das beste Gefühl, wenn du Ego und Fähigkeit managen kannst und wenn es am Ende dazu führt, dass man eine Saison siegreich gestalten kann.
Das ist doch toll, wenn man etwas tun kann, was man gerne macht und man dann auch noch erfolgreich darin ist. Das ist doch das Beste!
Als Spieler machst du deinen Job, aber am Ende des Tages, zwei Stunden nach dem Spiel denkst du meistens nicht mehr an das Spiel, du hast deine Arbeit gemacht. Aber als Coach ist das ein 24-Stunden-Job. Du musst dir immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass die Spieler Menschen sind, die auch Probleme haben, Streit oder kranke Kinder und bei jedem Training musst dann immer mit dem Unerwarteten rechnen.
Wie sind Sie am Ende in Rostock gelandet?
Im März ungefähr habe ich angefangen, den Verein zu verfolgen. Als es in den letzten beiden Heimspielen um alles ging, habe ich alles verfolgt. Ich weiß auch, dass Jens (Hakanowitz, Anm.d.Red.) einen guten Job macht und nicht irgendwen nehmen würde. Wir hatten gute Gespräche. Zur gleichen Zeit musste ich dann aber noch die Playoffs in Polen spielen. Ich war glücklich, dass ein Tapetenwechsel anstand und ich bald in einer anderen Liga coachen dürfte. Für mich ist Rostock eine tolle Möglichkeit. Ich war – jetzt kann ich es ja sagen – damals schon nicht mehr 100% fokussiert. Als dann die Gespräche waren, hatte ich das immer im Hinterkopf – ich muss da gar nicht lügen, ich bin kein Typ, der lügt. Ich habe meinen Job erfüllt, aber wenn man eine solche Möglichkeit hat, beeinflusst das schon etwas und raubt Energie.
Was sind Ihre Ziele in dieser Saison mit den ROSTOCK SEAWOLVES?
Lass es uns in zwei Ziele aufteilen: Das Hauptziel sollten die Play-Ins sein. Darauf möchte ich mich aber nicht versteifen. Wenn wir in den Play-Ins sind, ist das ok, denn dann haben wir die Chance auf die Playoffs. Aber gleichzeitig bin ich vom Gewinnen besessen, und ich sehe kein Szenario, in dem wir uns aufgeben, nur weil der Gegner Alba Berlin heißt oder so. Ich will sie alle schlagen. Ernsthaft. Ich will, dass meine Spieler genau so denken.
Was ist der Unterschied zwischen der polnischen Liga und der BBL?
Da gibt es viele Unterschiede. Der größte ist wohl, dass in Polen viel getrickst wird. Wenn du kein guter Shooter bist, wirst du einfach nicht verteidigt. Dann ziehen sie sich unter den Korb zurück und lassen dich werfen. Wirklich. Jedes Team hat seinen eigenen Spielstil, eigene Defensive-Strategien, das ändert die Vorbereitung auf die Spiele jedes Mal extrem.
In der BBL, denke ich, spielen viele Teams ähnlich: sehr aggressiv, starkes Pressing. Das gibt es so in Polen nicht, einige Teams spielen eine Ganzfeldverteididung, andere warten in der eigenen Zone auf den Gegner. Diese Teams gehen dann auch unter. Das ist ihnen egal. Gerade bei Teams mit kleinem Budget wird da nicht groß Eins-gegen-Eins gespielt. Wir müssen in Polen immer einen Weg finden, die guten Teams zu schlagen. Vor ca. 5 Jahren war es in Polen noch so, dass dort viele US-Guards waren, aber aktuell sieht es so aus, dass Polen sich in eine andere Richtung entwickelt. Man kann sagen, dass sie sich europäischer entwickeln. Es gibt immer mehr europäische Ausländer in den Teams. Aus Serbien, Litauen, Lettland.
In der BBL sieht man mehr Amerikaner, mehr Importspieler aus den USA. Ich kann nicht wirklich sagen, was besser ist, es ist einfach anders. Ich werde in der kommenden Saison versuchen, beide Stilarten zu mischen. Und ich will definitiv schnell spielen, nicht dumm schnell, denn das ergibt nicht viel Sinn. Wann immer wir es nutzen können, sollten wir es nutzen, aber wir werden nicht hoch und runter laufen, um Ballbesitz zu erzielen und jeder erzielt 10 Punkte und alle sind happy, das ist nicht meine Art zu spielen!
Gibt es Teams oder Spieler, auf die Sie sich besonders freuen?
Ja, ich kenne Saša Filipovski (Trainer Würzburg – Anm. d. Red.) seit Jahren; das Spiel gegen Würzburg wird sicher ein spezielles für mich. Ich versuche Spiele immer so anzugehen, als wenn es Feiertage sind. Jedes Spiel ist daher besonders. Daher will ich sie auch alle gewinnen. Aber ja, Sascha ist ein Freund und ich mag ihn sehr, ich habe schon als Spieler gegen ihn gespielt. Manchmal rufe ich ihn auch an, wenn ich Fragen habe.
Sie haben schon etwas blicken lassen, was Ihre Spielphilosophie angeht – aber was für eine Art Coach sind Sie?
Zuerst einmal brauche ich keine Spieler, die nicht verteidigen wollen oder können – diese können nicht für mein Team spielen, zu 100% nicht. Ich glaube auch daran, dass Fähigkeiten, die kein Talent benötigen, dir 50% der Siege einfahren, wie z.B. Durchsetzungsvermögen, Defense, Ausboxen… Da kannst du jemanden aus der zweiten Liga nehmen und der erledigt solche Aufgaben. Ohne diese Eigenschaften bekommt man bei mir keinen Platz im Team. Das ist das eine. Aber ich fordere auch viel ein, bin aber gleichzeitig auch fair. Durch meine 20 Jahre als Spieler weiß ich auch, dass man nicht nur trainiert, um der Clubführung zu zeigen, dass man trainiert, sondern wir wollen das auch auf dem Spielfeld zeigen. Daher versuche ich die Spieler ausgeruht am Spieltag zu haben, aber voller Energie. Ich habe auch unter Trainern gespielt, bei denen wir sechs Stunden am Tag trainiert haben und am Spieltag dann alle k.o. waren. So ein Trainer bin ich nicht. Ich bin absolut kein Fan von Gleichheit im Team. Sowas ist eine Lüge, denn jeder Spieler hat eine feste Rolle. Du musst Superstar in deiner Rolle sein. Es wird nicht passieren, dass hier jeder Würfe nimmt, wie er will oder wild rumdribbelt. Das ist nicht meine Philosophie. Du hast deine Rolle, machst deinen Job, dann sind wir erfolgreich.
Wenn Sie auf der Suche nach neuen Spielern sind, gibt es da besondere Punkte, auf die Sie besonders achten neben den bisher erwähnten Fähigkeiten, wie z.B. gute Verteidigung?
Ja, absolut! Ich bin allergisch gegen Sturköpfe. Wenn jemand z.B. nicht trifft, und sich dann nicht in Richtung Defensive orientiert, sondern mit dem Schiedsrichter hadert, geht das gar nicht. Das wird nicht passieren. Wenn wir nach Spielern schauen, gehen wir tief in die Recherche, natürlich sind die Grundlagen wie Werfen oder Rebounding wichtig, aber eben auch, was für Menschen das sind, ob der Siegeswille da ist oder ob jemand nur für seine Statistik spielt. Wenn da jemand 15, 17 Würfe im Spiel nimmt, dann ist das MEINE Entscheidung, weil das die Rolle ist, die ich ihm übertragen habe. Und diese muss er aggressiv ausführen. Gleichzeitig aber achten wir darauf, dass es keine miesen Typen sind. Das darf nicht passieren, denn dann verbringst du so viel Zeit beim Training, alle zusammen, und dann ist da einer dabei, der miese Stimmung verbreitet. Das würde ich nicht gutheißen und entsprechend handeln.
Verständlich, dann lassen Sie über das Team sprechen – einige neue Spieler wurden schon gezeichnet, Elias Baggette, Dominic Lockhart, einige haben noch Vertrag, es kommen noch welche – können Sie schon mehr sagen? Da draußen gibt es diverse Gerüchte…
Gerüchte sind immer Teil des ganzen Prozesses. Ich werde keine Informationen rausgeben über neue Spieler, aber ich weiß, dass der deutsche Stamm sehr viel Qualität haben wird. Mich kümmert es nicht, wenn da draußen geredet wird, dass der Spieler dort so und so gespielt hat. Da kommen mehrere Faktoren zusammen: anderer Coach, andere Situation, andere Rolle. Wir können diese Jungs wirklich dazu bekommen, aus dem Team eine Maschine zu machen. Sollten wir Verletzungen haben, oder werden ausgefoult, dann wird der Ersatzspieler reinkommen und diese Lücke schließen. Natürlich werden einige Spieler vielleicht mal sieben Minuten bekommen und im nächsten Spiel dann 20 – einfach, weil wir jeden zu jederzeit brauchen. Lass uns nicht über neue Spieler sprechen, auch wenn alle auf diese Neuigkeiten warten. Denn dieser Spielermarkt ist sehr zerbrechlich. Gerüchte können uns viele Probleme bereiten und könnten uns sogar den einen oder anderen Spieler verderben.
D.h. bevor es keine Unterschrift gibt, gibt es keine Information?!
Ja, genau. Ich bin kein Fan davon allen zu sagen, „Hey wir beobachten grad Johnson“ zum Beispiel. Ja genau Johnson? Welcher Johnson, wer ist das? Mark!
Wie sieht es mit Spielern aus, die aktuell noch Vertrag haben?
Genau, ich weiß es gibt da draußen viele Gerüchte um Tyler Nelson. Und ich habe schon mit ihm gesprochen. Ich weiß, was er für diesen Verein und für diese Stadt getan hat. Das ist eine Romanze, ich bin aber kein romantischer Typ. Dafür werden mich vielleicht auch einige hassen, aber ich habe einen Plan und den will ich verfolgen, mit ihm! Er war der Anführer des Teams, ich sehe ihn aber nicht als Anführer. Meiner Meinung nach – dies hat er auch bestätigt – ist es schlecht für seine Karriere, ihm eine kleinere Rolle zu geben. Da stehen wir jetzt. Wir werden sehen, wie es ausgeht.
Aktuell ist da also noch nicht das letzte Wort gesprochen?
Genau, nichts ist bisher entschieden. Ich habe nichts gegen ihn, im Gegenteil, ich denke er ist ein sehr guter Spieler. Wir werden in der kommenden Saison aber eine andere Art Basketball spielen. Manchmal ist das eben so. Ich habe für meinen Ex-Verein auch viel getan und bin heute hier.
Letzte Frage: Welche neuen Typen und Spieler können wir erwarten?
Das ist, wie bereits erwähnt habe, nicht einfach: Der Markt dieses Jahr gibt nicht viel her. Ich habe schon mit vielen Freunden gesprochen, die das bestätigen. Es gibt Probleme Point Guards zu finden, das ist sehr schwer. Die Spieler fordern aktuell horrende Summen. Ich will hier keine Namen nennen, aber wir arbeiten hart und werden ein tolles Team haben.
Da passiert also viel im Hintergrund?
Ja tatsächlich. Ich bin sogar überrascht, wie wenig an die Oberfläche dringt. Keiner weiß was wir machen, das ist sehr seltsam für mich. Wenn du in Polen mit einem Spieler sprichst, ist das gleich überall bekannt. Hier ist es echt gut.
Wenn es keine Unterschrift gibt, gibt es nichts zu berichten.
Ja klar, aber hey, wir sind so nah an vielen Spielern dran, aber nichts dringt nach außen. Das ist sehr gut. Ich bin überrascht, weiß aber auch, dass die Fans etwas wissen wollen. Das sollte aber schon in der nächsten Woche soweit sein!
Danke für das Interview. Schön Sie kennengelernt zu haben. Viel Glück hier in Rostock. Wir sehen uns in der Halle.
Das Interview führte Christoph Klut und ist auch in einer Videoversion auf YouTube verfügbar.