Die ROSTOCK SEAWOLVES geben die Verpflichtung von Kevin Anstett bekannt. Der Franzose wird fortan als Sportdirektor für den Erstligisten arbeiten und die Verantwortung für den Profibereich tragen. Dabei steht er in engem Austausch mit den Trainern und Vorstand Jens Hakanowitz.
“Rostock hat eine sehr gute Infrastruktur, der Klub hat sehr viel Potenzial und viel Spielraum, um eine gesunde Organisation und Identität zu entwickeln. Das ist sehr reizvoll. Für mich war auch die Bundesliga attraktiv”, sagt Anstett. “Mein Ziel ist es, etwas Besonderes in Rostock aufzubauen. Ich möchte etwas schaffen, das nachhaltig ist und in Sachen Basketball weiter wächst.”
Anstett war zuletzt als Sportdirektor bei Limoges Cercle Saint-Pierre in der 1. französischen Liga aktiv. Von 2017 bis 2019 arbeitete er als Scout in der US-Profilliga NBA für die Phoenix Suns und Philadelphia 76ers. In dieser Zeit baute sich der gebürtige Pariser, der als Profi für den französischen Zweitligisten Aix Maurienne Savoie Basket spielte, ein internationales Netzwerk in der Basketballwelt auf, von dem nun auch die SEAWOLVES profitieren sollen. In den vergangenen Wochen arbeitete Anstett bereits mit Hakanowitz zusammen, um über die Trainerposition und den Kader zu entscheiden.
“Die Verpflichtung von Kevin Anstett als Sportdirektor der ROSTOCK SEAWOLVES markiert einen wichtigen Schritt in unserer Entwicklung. Er hat in den vergangenen Jahren ein großes Netzwerk in Europa aufgebaut, von dem wir uns perspektivisch viel versprechen. Neben dem Recruiting und Scouting von Spielern und Trainern wird Kevin vor allem die Organisation und Planung des Profibereichs sowie unserer Seawolves Academy vorantreiben”, sagt Sportvorstand Jens Hakanowitz. “Wir freuen uns sehr über die Verpflichtung von Kevin und sein Commitment, mit seiner jungen Familie nach Rostock zu kommen. Selbstverständlich werde ich nach wie vor die Verantwortung für den Profisport tragen, sehe uns aber mit Kevin jetzt viel besser aufgestellt für die Zukunft. Die freigewordenen Ressourcen werden wir nutzen, um als zweiköpfiger Vorstand [zusammen mit André Jürgens, Anm. d. Red.] weiter die Vertriebs- und Strukturarbeit des Vereins voranzutreiben.”
Interview mit Kevin Anstett: “Mein Ziel ist es, etwas Besonderes in Rostock aufzubauen.“
Wie sind Sie zum Basketball gekommen?
Kevin Anstett: Ich bin in der Gegend von Paris aufgewachsen und habe dort die meiste Zeit meines Lebens verbracht. Ich habe relativ spät mit Basketball angefangen, nämlich nach einem Wachstumsschub mit 15 Jahren. Mit 19 Jahren führte mich mein Weg nach Aix Maurienne (2. Liga in Frankreich). Ich verbrachte dort eine Saison und kehrte nach einer schweren Knieverletzung nach Paris zurück, um mein Studium zu beenden. Ich wollte nach dem College weiterhin im Basketballbereich tätig sein, und Talentsichtung (Scouting) war meine Leidenschaft. So begann ich meine Karriere im Basketball.
Was hat Sie dazu inspiriert, eine Karriere als Sportdirektor einzuschlagen?
Nach fünf Saisons als Scout in der NBA fühlte ich, dass es an der Zeit war, meine Ideen und NBA-Erfahrungen in die Praxis umzusetzen. Der nächste logische Schritt für mich war es, Sportdirektor in Europa zu werden. Als sich die Gelegenheit in Limoges ergab, wusste ich, dass es Zeit war, diesen Schritt zu wagen.
Welche Meilensteine waren am wichtigsten in Ihrer Karriere?
Erstens erhielt ich 2017 meine Chance bei den Phoenix Suns in der US-Profilliga NBA. Pat Connelly (jetzt Assistant General Manager (GM) bei den Bulls) und Emilio Kovacic (jetzt Player Development Coach bei Bayern München) gaben mir diese Gelegenheit. Ich werde ihnen immer dankbar sein, dass sie mich durch mein erstes Jahr geführt haben.
Zweitens war es Vince Rozman (jetzt Assistant GM bei OKC) und Danny Mills (jetzt GM der Perth Wildcats), die mich dazu brachten, zu den Philadelphia 76ers zu wechseln. Sie gaben mir die Möglichkeit, mich sowohl als Scout als auch als Manager weiterzuentwickeln.
Drittens war es der Wechsel nach Limoges (1. Liga in Frankreich) als Sportdirektor. Limoges ist ein Klub in Frankreich mit großer Tradition. Die Dinge liefen nicht so, wie ich es mir erhofft hatte, aber ich habe auf so vielen Ebenen sehr viel gelernt, dass ich vorwiegend positive Erfahrungen aus dieser Zeit mitgenommen habe.
Was waren einige der größten Herausforderungen in Ihrer Karriere und wie haben Sie diese gemeistert?
Die größte Herausforderung meiner Karriere war vor allem alles, was in Limoges geschah. Ich musste lernen, mit einer Vielzahl von unerwarteten Problemen umzugehen (z.B. Siege, die von der Liga aberkannt wurden etc.), aber ich habe daraus viel gelernt. Der einzige Weg, das zu bewältigen, war, sich auf das zu konzentrieren, was man kontrollieren kann, und zu versuchen, innerhalb des Teams eine Einheit zu schaffen, um auf dem richtigen Kurs zu bleiben.
Wie beeinflussen Ihre Erfahrungen als Spieler Ihre Entscheidungen als Sportdirektor?
Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Das Spiel hat sich so schnell und stark verändert, dass es nichts mehr mit der Zeit zu tun hat, als ich Spieler war. Die Perspektive als Sportdirektor, der alles in Betracht ziehen muss, ist ganz anders als die eines Spielers, der sich in erster Linie auf sich selbst konzentriert.
Welche Fähigkeiten halten Sie für einen erfolgreichen Sportdirektor für unerlässlich?
Management ist meiner Meinung nach die wichtigste Fähigkeit. Man muss täglich so viele Menschen im Team, im Stab und rund um das Team managen. Es ist so wichtig, die richtige Kultur innerhalb und um das Team herum zu schaffen, damit am Ende des Tages alle in die gleiche Richtung gehen können.
Wer waren Ihre Mentoren oder Vorbilder in Ihrer Karriere und wie haben sie Ihre berufliche Entwicklung beeinflusst?
Ich habe bereits einige von ihnen erwähnt, wie Pat Connelly, Emilio Kovacic, Vince Rozman und Danny Mills, die nach wie vor wichtige Personen in meinem Leben und meiner Karriere sind und mir helfen. Ich bewundere auch jemanden wie Daniele Baiesi (Sportdirektor des FC Bayern München Basketball).
Was hat Sie an der Position des Sportdirektors hier in Rostock gereizt?
Zunächst einmal hat Rostock eine sehr gute Infrastruktur, der Klub hat sehr viel Potenzial und viel Spielraum, um eine gesunde Organisation und Identität zu entwickeln. Das ist sehr reizvoll. Für mich war auch die Bundesliga attraktiv; ich sehe sie als eine aufstrebende Liga.
Wie sind Sie auf Rostock aufmerksam geworden? Und wie kam es schließlich zum Wechsel zu den SEAWOLVES?
Ich habe viel mit Jens telefoniert, über den Klub, die Stadt und den Verein. Im Mai war ich in Rostock und habe die Strukturen kennengelernt. Ich konnte mir definitiv vorstellen, hier mit meiner Familie zu leben, und war beeindruckt vom Büro und der Trainingsstätte. Jetzt wird es Zeit, anzukommen, zu beobachten, Menschen kennenzulernen und mit allen zusammenzuarbeiten, um unsere zukünftigen Ziele zu erreichen.
Was waren Ihre ersten Eindrücke von Rostock und dem Verein?
Als ich mir die Spiele des Teams zuhause angesehen habe, konnte ich eine großartige Atmosphäre und Unterstützung rund um das Team sehen. Während meines Aufenthalts in Rostock war ich auch beim SEAWOLVES Firmenturnier und war sehr begeistert von der Leidenschaft der Menschen für den Klub. Ich freue mich sehr darauf, mehr über den Basketball, den Verein und Rostock zu erfahren.
Welche Ziele verfolgen Sie für das Team und für sich persönlich?
Mein Ziel ist es, etwas Besonderes in Rostock aufzubauen. Ich möchte etwas schaffen, das nachhaltig ist und in Sachen Basketball weiter wächst. Ich möchte eine mittelfristige bis langfristige Perspektive haben und keine Schritte überspringen, damit der Klub auf die richtige und gesunde Weise wachsen kann.
Kommen wir zum Sportlichen: Wie sieht Ihre Philosophie aus in Bezug auf Teambuilding und Spielerrekrutierung?
Ich bin in dieser Hinsicht sehr offen. Der entscheidende Punkt ist, die passenden Puzzleteile zusammenzufügen. Das Wichtigste bei den Spielern, die ich im Team haben möchte, ist, dass sie hart arbeitende Athleten mit Kämpfernatur und Wettbewerbsgeist sind. In Bezug auf die basketballerischen Fähigkeiten bevorzuge ich immer vielseitige Spieler, die viele Dinge auf dem Platz tun und mehrere Positionen spielen können, damit der Trainer viele Optionen hat.
Wie identifizieren und bewerten Sie potenzielle neue Spieler für das Team?
Das ist eine umfangreiche Arbeit, die vor Jahren begann. Ich filtere und analysiere normalerweise Spieler in den europäischen Ligen, in der NCAA, der G-League und in Asien, die für uns realistisch sind. Ich sehe mir auch während der Saison viele Spiele an, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wer die Spieler sein könnten, die zu uns passen. Ich bin ständig in Kontakt mit den Agenten, um auch ihre Erwartungen einzuschätzen und zu sehen, ob wir zusammenarbeiten können. Ich schicke eine Liste von Spielern in den Rollen, die wir im Team suchen, an den Trainerstab und wir diskutieren dann die Profile, die uns am meisten zusagen.
Können Sie über die aktuelle Zusammensetzung des Teams und geplante Änderungen sprechen?
Es ist derzeit wie ein unvollständiges Puzzle. Die erste Priorität war, unsere Basis deutscher Spieler zu haben, und es war entscheidend, Dominic (Lockhart) und Elias (Baggette) zu bekommen. Basierend auf unseren deutschen Spielern und ihrer Rolle im Team wird das Puzzle Schritt für Schritt um weitere Spieler, die ins Profil passen, vervollständigt.
Welche Qualitäten suchen Sie bei Spielern sowohl auf als auch abseits des Spielfelds?
Wie bereits erwähnt, suche ich Menschen mit gutem Charakter, einem wettbewerbsorientierten Geist und einer starken Arbeitsethik, um das aufzubauen, was wir als Klub wollen. Ich habe immer Spieler mit Fähigkeiten und hoher Auffassungsgabe auf dem Spielfeld geschätzt. Ich halte es für entscheidend, wie Basketball 2024 gespielt wird. Jede Liga hat ihre Eigenheiten und man muss sich anpassen. Die Bundesliga ist zum Beispiel anders als die französische Liga.
Wie wichtig ist die Teamchemie und wie fördern Sie diese unter den Spielern?
Die Teamchemie ist entscheidend, weil sie dir wirklich helfen kann, schwierige Momente während der Saison zu überwinden, die jedem Team im Sport widerfahren. Man muss zusammenstehen, und das ist nicht immer einfach, weil wir alle unsere persönlichen Ziele verfolgen und unsere eigene Reise begehen. Ich glaube, Ehrlichkeit und gute Kommunikation helfen immer. Nicht jeder kann im Team miteinander befreundet sein, aber wenn wir in die gleiche Richtung schauen und uns gegenseitig helfen, können wir unsere Ziele erreichen und diese Teamchemie aufbauen.
Welche langfristigen Ziele haben Sie für die Entwicklung des Teams?
Zuerst, junge Spieler durch unser Jugendprogramm zu entwickeln und sie für unser erstes Team zu gewinnen. Das dauert immer eine Weile, aber ich glaube, dass der Nachwuchs in Deutschland sich im Laufe der Jahre stark verbessert hat. Wir müssen in der Lage sein, zukünftige Profis der ROSTOCK SEAWOLVES auszubilden. Zudem ist es wichtig, eine nachhaltige Kultur und Organisation zu schaffen, um weiter zu wachsen und zu versuchen, innovativ zu sein, um sich von unseren Wettbewerbern abzuheben. Der Markt wird immer schwieriger, um gute Spieler in Europa zu bekommen, daher glaube ich, dass man als Verein und Organisation neue Wege gehen muss, um attraktiv zu sein.
Wie bewältigen Sie die Herausforderung zwischen sofortigem Erfolg und langfristigen Vision für das Team, Jugendspieler zu entwickeln?
In diesem Geschäft kann man keine Schritte überspringen, es sei denn, man hat viel mehr Geld im Vergleich zu den anderen Teams. Mein Ziel wird immer die mittelfristige bis langfristige Perspektive sein im Vergleich zu dem, was jetzt gerade heute ist. Man wird definitiv einige Wachstumsschmerzen erleben, aber das Ziel ist es, diese zu überwinden und das gewünschte Ziel zu erreichen.
Was sehen Sie als die größten Chancen und Herausforderungen für das Team in der kommenden Saison?
Die größte Chance sehe ich darin, etwas Mitreißendes aufzubauen. Die Herausforderung wird darin bestehen, fokussiert und ruhig zu bleiben, wenn wir während der Saison schwierige Zeiten haben.
Das Interview führte Thomas Käckenmeister