Vor einem halben Jahr machte sich unser ehemaliger Trainer Sebastian Lehmann auf den Weg in die weite Welt, genauer gesagt nach Tansania, um Kindern aus dieser Region in einem großartigen Projekt das Basketballspielen beizubringen. Das Multitalent war nicht nur im Training aktiv, sondern bildete auch ortsansässige Coaches aus und übernahm diverse Verwaltungsaufgaben, wie unter anderem Kooperationen mit den ansässigen Behörden. Im folgenden Interview erzählt Sebastian von seinen Erlebnissen und Erfahrungen, dem Umgang mit einer fremden Kultur, das Ausloten seiner eigenen Grenzen und die unendliche Freude über Fortschritte, die sein Herz berührt haben.
Sebastian, was hat dich bewegt, an solch einem Projekt teilzunehmen?
Ich glaube vor allen Dingen war es die Herausforderung, die mich dazu geführt hat, diesen Weg zu gehen. Ich konnte schon Trainererfahrung in vielen Bereichen in Deutschland sammeln und wollte einfach mal etwas anderes ausprobieren. Als ich die Ausschreibung des Projektes sah, dachte ich mir sofort, dass ich so eine Chance wahrscheinlich kein zweites Mal bekommen werde.
Haben die Kids vor Ort vorher in ihrem Leben schon einmal Basketball gespielt?
Für die meisten Kinder in der Gegend ist Basketball das einzige Hobby, was sie von den teilweise katastrophalen Lebensumständen ablenkt. Der Freiplatz ist ihr zu Hause; eine Welt, in der sie ihre Sorgen vergessen können.
Wo genau in Tansania lag dein Dorf, in dem du Unterstützung geleistet hast?
Von Dorf kann man hier nicht reden. Ich befand mich in Mwanza, der zweitgrößten Stadt Tansanias. Sie hat ungefähr eine Einwohnerzahl von eine Millionen Menschen und davon sind bis zu 80% arbeitslos. Für diejenigen, die gerne reisen, ist es einen Besuch wert, denn die Stadt liegt direkt am Viktoriasee und der Serengeti Nationalpark ist auch nicht weit weg.
Konntest du eine gute Beziehung zu den Kids/Betreuern/Eltern etc. aufbauen?
Viele der Kinder freuen sich, wenn ich gekommen bin und auch ein großer Teil der Coaches war dankbar für die Unterstützung. Andere Wünsche sind wohl eher eine finanzielle Unterstützung, aber so ist das Leben dort. Ich denke, alles in allem ist die Beziehung hier gut, wenn die Menschen verstehen, was wir überhaupt wollen. Viele Einwohner denken, dass wir Geld für unsere Arbeit mit den Kindern bekommen und sind dann doch sehr entsetzt, dass wir auf eigene Kosten helfen wollen.
Wie bist du mit den Menschen dort zurecht gekommen?
Im Großen und Ganzen ist es super gelaufen. Zwar ist es manchmal sehr anstrengend, da alle mit dir kommunizieren möchten, um ihre Anliegen und Wünsche kundzutun. Das Problem liegt eher darin, dass die meisten Menschen hier gerade mal zwei Sätze Englisch sprechen können, was die Kommunikation miteinander etwas erschwert.
Wie lange warst du in Tansania und was waren deine Aufgaben in diesem Projekt?
Insgesamt war ich vier Monate vor Ort. Ziel dieses Projektes war es, den Kindern eine Abwechslung zu ihren teilweise armen Lebensverhältnissen zu bieten. So versuchten wir zusammen mit Basketballtrainern, neue Vereine aufzubauen. Die Nachhaltigkeit dieser Maßnahme stand hierbei im Vordergrund. Prinzipiell wurde daran gearbeitet, Freiwillige zu Coaches auszubilden, die dann auch zukünftig das Training übernehmen. Außerdem gehörte auch der Austausch mit der Stadt zu unseren Aufgaben, da vor allem Sport sehr politisch gestaltet ist in Tansania. Wenn man einen neuen Sportplatz bauen will, braucht man die Unterstützung der Stadt. Ein gewöhnlicher Tag gestaltete sich somit aus einem Vormittag, geprägt von organisatorischen Notwendigkeiten und einem Meeting, und einem Nachmittag bei den Vereinen, wo man dann feststellt, wie man Unterstützung bieten kann.
Was faszinierte dich am meisten an diesem Projekt?
Ich denke, dass es keine Herausforderung ist, in einen anderen Land zu arbeiten. Die Herausforderung liegt eher im Arbeiten auf einem anderen Niveau. Die Arbeit in Deutschland ist vor allen Dingen geprägt von Disziplin und Pünktlichkeit. Wenn man um 16:00 Uhr eine Trainingseinheit ansetzt, dann erwarten die Kinder dich schon sehnsüchtig. In Tansania ist man froh, wenn um 16:00 Uhr überhaupt schon ein Kind den Weg zum Training gefunden hat. Das Faszinierende ist, jeden Tag aufs Neue die Umstände zu sehen und in die Gesichter der Kinder zu schauen, wenn sie einfach strahlen vor Glück, obwohl sie manchmal fast nichts besitzen. Ich glaube, viele können sich das gar nicht vorstellen, wie die Menschen hier mit wenigen Dingen trotzdem glücklich sein können. Genau das begeistert und bewegt mich. In diese großen freudestrahlenden Kinderaugen zu schauen, bewirkt bei mir ein Gefühl der inneren Zufriedenheit, was ich vorher noch nicht kannte. Gutes zu tun und mit Basketball andere glücklich zu machen – einfach wundervoll.
Wie wurde das Projekt finanziert?
Da es sich um ein freiwilliges Projekt handelte, habe ich alle Kosten (Flug, Unterkunft, Essen etc.) selbst getragen. Um die Finanzierung nicht ganz aus eigener Kasse zu zahlen, plane ich gerade ein Video für ein Foundraising, wo ich das Leben und meine Arbeit hier vorstelle, um einen Teil der Kosten vielleicht durch private Spender zu finanzieren. Ich hoffe sehr, dass sich so ein paar Leute bereit erklären, mich ein wenig zu unterstützen.
Würdest du jeder Zeit wieder an solch einem Projekt teilnehmen?
Generell würde ich sagen, dass es auf jeden Fall eine Lebenserfahrung ist, die ich auf gar keinen Fall missen möchte. Die ganzen Eindrücke, die ich bis zum jetzigen Zeitpunkt sammeln durfte, haben mir sehr geholfen, einen anderen Eindruck von der Welt zu bekommen und haben maßgeblich zu meiner persönlichen Weiterentwicklung beigetragen. Sicherlich würde ich irgendwann nochmal ein Projekt dieser Art unterstützen, aber ich denke, ich bin auch froh, dass ich erstmal wieder in Europa bin.
Führt dein Weg zurück nach Rostock und zum EBC?
Da Rostock meine Heimat ist, komme ich erstmal wieder zurück, allerdings zunächst nur für einen Monat. Ab September werde ich zum Dualen Studium nach Süddeutschland gehen, sodass ich kommende Saison leider nicht mehr für den EBC tätig sein kann. Trotzdem bin ich dankbar für die Chance und die Unterstützung, die ich bekommen habe. Ich werde die Entwicklung auf jeden Fall verfolgen und hoffe, dass ich mit den Verantwortlichen weiterhin ein gutes Verhältnis pflegen werde und ich eines Tages vielleicht wieder ein Teil des Teams sein kann.
Wie sehen deine Zukunftspläne aus?
Leider werde ich nach meiner Reise mit dem Basketball etwas kürzer treten müssen, da ich mich entschieden habe, in einem anderen Bereich tätig zu werden. Da die letzten Jahre sehr viel durch Sport geprägt wurden, wird es mir nicht leicht fallen, aber das heißt ja nicht, dass der Basketball ganz aus meinem Leben verschwinden wird.
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